Wohnen in München:Schadet das Volksbegehren zum Mietendeckel den Mietern?

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Die Wohnkosten in München sind ständiges Thema in Gesprächen und von Parolen auf Hauswänden. (Foto: dpa)
  • Der Verband Haus und Grund in München hat vor dem Volksbegehren zur Deckelung von Mieten gewarnt.
  • Allein die Diskussion werde etliche Vermieter auf die Idee bringen, die Mieten noch vor einer möglichen Neuregelung zu erhöhen.
  • Durch die Auflage, Mieten für fünf Jahre einzufrieren, könnten die Kosten für Mieter nach dieser Zeit sprunghaft ansteigen, warnt der Verband.
  • Außerdem klagt Haus und Grund gegen den aktuellen Mietspiegel.

Von Sebastian Krass

Wenn Mieter vernünftig sind, dann sparen sie sich die Unterschrift für das Volksbegehren zum Mietenstopp: Mit dieser Linie will der Haus- und Grundbesitzerverein München gegen die Initiative des Mietervereins zum Volksbegehren angehen. "Die tun ihrer Klientel nichts Gutes", sagte Rudolf Stürzer, der Vorsitzende von Haus und Grund München, am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Ein Verbot, in einem gewissen Zeitraum Bestandsmieten zu erhöhen, wie es gefordert werden soll, "würde das Thema Mieterhöhungen nur in die Zukunft verschieben und verschärfen", glaubt Stürzer. Denn nach Ablauf der Frist - fünf Jahre sind angedacht - würden die Mietpreise explodieren.

Außerdem würden in der Zeit, in der über das Volksbegehren diskutiert wird, viele Vermieter schnell noch die Miete erhöhen, bevor es eventuell nicht mehr möglich ist. So sei es schon im Vorlauf der Mietpreisbremse gewesen. "Wir hatten hier noch nie so viele Anfragen, wie man die Miete erhöhen kann", sagt Stürzer. "Mit solchen Diskussionen weckt man die letzten schlafenden Hunde unter den Vermietern."

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Am Freitag hatte der Mieterverein München seine Initiative vorgestellt. Nach dem Oktoberfest wolle man beginnen, Unterschriften für die Zulassung des Volksbegehrens zu sammeln. Neben dem Mietenstopp wollen die Initiatoren fordern, dass bei Wiedervermietungen der Preis nicht höher als im Mietspiegel liegen dürfe. Mieten könnten dann sogar sinken, wenn sie vorher darüber lagen. Zudem soll die Umlage von Modernisierungen auf die Miete auf zwei Euro pro Quadratmeter gedeckelt werden, bisher sind es drei Euro. In laufende Mietverträge soll nicht eingegriffen werden, und Neubauten wären ausgenommen, um Investoren nicht zu verschrecken.

Kommen 25 000 Unterschriften zusammen und würde das Volksbegehren mit dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf für zulässig erklärt werden, dann müssten sich binnen zwei Wochen zehn Prozent der Wahlberechtigten in Bayern eintragen. Der Landtag könnte dann den Gesetzentwurf annehmen - oder es käme zum Volksentscheid. Der Mieterverein beruft sich auf ein Gutachten zweier Rechtswissenschaftler, die das Volksbegehren für einen zulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Recht auf Eigentum halten.

Das bestreitet Haus und Grund. Ein solches Volksbegehren sei "verfassungswidrig", sagt Stürzer, das Gutachten lediglich eine Auftragsarbeit. Sein Verein werde mit aller Macht gegen das Volksbegehren kämpfen. Auch bezweifelt er, dass tatsächlich zehn Prozent der Wähler - das entspricht etwa einer Million Bürger - unterschreiben würden. "Ich glaube, dass die Mehrheit der Leute sich nicht aufhetzen lässt."

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Stürzer sieht in der Initiative ein Wahlkampfmanöver der SPD vor der Kommunalwahl im kommenden Jahr. Münchens OB Dieter Reiter hatte sich schnell mit den Initiatoren solidarisiert. "Der Mieterverein hat sich vor den Karren spannen lassen", sagt Stürzer.

Sein Verein weitet auch den juristischen Kampf gegen die Stadt München aus. "Wir haben Klage gegen den Mietspiegel 2019 eingereicht", verkündet Stürzer. Denn die Stadt trickse bei der Erhebung. "Der Mietspiegel soll dazu dienen, die Mieten zu drücken, weil man das auf politischem Wege nicht erreicht", sagt Stürzer.

Auch gegen den Mietspiegel 2017 hat Haus und Grund geklagt. Dieser Rechtsstreit ist inzwischen in zweiter Instanz beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angelangt. Am 8. Mai ist eine Verhandlung dazu angesetzt. In diesem Verfahren klagt Haus und Grund auf Herausgabe der Daten, die dem Mietspiegel zugrunde liegen, was die Stadt mit Berufung auf den Datenschutz verweigert.

Den Mietspiegel 2019 hatte OB Reiter im Februar dieses Jahres vorgestellt. Demzufolge liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete in München bei 11,69 Euro pro Quadratmeter, was eine Steigerung von 4,1 Prozent zum Mietspiegel 2017 bedeutet, damals waren es 11,23 Euro. Haus und Grund argumentiert seit Jahren, dass diese Werte viel zu niedrig seien. Tatsächlich liege die Nettokaltmiete bei mehr als 15 Euro, sagt Stürzer. Das zeige das Wohnungsmarktbarometer des Planungsreferats.

Die Stadt hält diesen Vergleich für unzulässig, weil der Mietspiegel Mieten der Vergangenheit abbilde, das Barometer, das auf aktuellen Inseraten beruht, hingegen die Gegenwart und Zukunft mit ihren vergleichsweise hohen Preisen.

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Beim neuen Mietspiegel kritisiert Stürzer "zwei grobe Verstöße". Der Mietspiegel sei nicht repräsentativ, weil darin zu 70 Prozent Bestandsmieten und zu 30 Prozent die stets höher liegenden Mieten aus Neuverträgen eingeflossen seien. Dabei müsse das Verhältnis in etwa paritätisch sein.

Außerdem habe die Stadt unzulässigerweise öffentlich geförderten Wohnraum und Wohnungen für Staatsbedienstete mit einberechnet. Bei diesem Vorwurf beruft Stürzer sich auf "zahlreiche Rückmeldungen von unseren Mitgliedern", denen zufolge bei den Interviews, mit denen die Daten für den Mietspiegel erhoben werden, Hinweise auf geförderten Wohnraum schlicht ignoriert worden seien.

Die Stadt wiederum sieht in der Konstruktion des Mietspiegels ein Mieterhöhungsinstrument. Denn nach dem Bundesgesetz, das ihm zugrunde liegt, dürfen nur Wohnungen eingehen, die, ausgehend vom Zeitpunkt der Befragung, in den vergangenen vier Jahren neu vermietet worden sind oder deren Miete verändert, also erhöht worden ist. Wohnungen mit älteren Verträgen oder Genossenschaftswohnungen werden nicht berücksichtigt.

OB Reiter hat deshalb angekündigt, die Stadt werde einen eigenen Mietspiegel erstellen, in den alle Wohnungen einfließen. Er hätte zwar anders als der offizielle Mietspiegel keine Bindungswirkung, soll aber ein politisches Instrument sein - auch um auf eine Änderung der Gesetzeslage hinzuwirken.

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