SZ-Adventskalender für gute Werke:"Ich schaffe alles alleine"

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Ismail F. will nicht von Sozialhilfe und Unterstützung abhängig sein, er beweist sich und allen, dass er seine Familie ernähren kann. (Foto: Catherina Hess)

Ismail F. arbeitet jede Nacht bei einer Sicherheitsfirma, danach kümmert er sich um seine fünf Kinder.

Von Thomas Anlauf

Ein paar Stunden Schlaf, mehr kann sich Ismail F. nicht gönnen. Jetzt im Winter kommt er von der Arbeit nach Hause, wenn die Sonne noch nicht aufgegangen ist. Vier, maximal fünf Stunden lang kann er sich dann ausruhen und ein wenig Kraft tanken. Dann kümmert er sich um die fünf kleinen Kinder, die ihren Papa lieben und gerne auf ihm herumturnen oder bei ihm auf dem Schoß sitzen. Behördendinge erledigen gehört natürlich auch zum Alltag. Und dann geht es wieder los in die Nacht zur nächsten Schicht im Sicherheitsdienst. Ismail F. sitzt in der karg möblierten Wohnung auf dem Sofa und sagt stolz: "Ich bezahle die Wohnung und ich schaffe alles alleine."

Ismail F. will nicht von Sozialhilfe und Unterstützung abhängig sein, er beweist sich und allen, dass er seine Familie ernähren kann. Auch wenn sein Gehalt nur geringfügig höher ist als die Grenze zum Arbeitslosengeld II und er deshalb viel selbst bezahlen muss, was für Hartz-IV-Empfänger kostenlos ist. Aber der 36-Jährige hat einen starken Willen, den er schon oft beweisen musste. Ismail F. kommt aus dem von Bürgerkrieg und Terror geschundenen Somalia am Horn von Afrika.

Den Terror hat er am eigenen Leib erfahren. Er arbeitete in einem kleinen Kiosk seiner Tante, doch Milizen bedrohten ihn und verboten ihm, Waren zu verkaufen. Schließlich floh er 2013 aus dem zerstörten Land, obwohl er vier Jahre zuvor seine Frau geheiratet und schon zwei kleine Kinder hatte. "Ich bin über Kenia nach Namibia gegangen", erzählt er. Von dort gelangte er mit dem Flugzeug nach Frankfurt. Noch auf dem Rollfeld sei er von der Polizei abgefangen und wegen seines Asylantrags befragt worden. "Aber ich habe Glück gehabt, sie waren sehr freundlich", sagt Ismail F.

Fast ein Jahr lang lebte er in einem kleinen Dorf in Hessen, dann kam er nach München, wo er sich bemühte, dass seine Familie nachziehen konnte. Erst 2017, vier Jahre nach ihrer Trennung, konnten seine Frau und die beiden Kinder nach München kommen. "Ich wollte auch meine Mutter holen, aber das war schwierig", sagt er. Gesehen hat Ismail F. seine Mutter seit seiner Flucht nicht mehr.

Die junge, wiedervereinigte Familie musste jahrelang in einer Wohnungslosenunterkunft leben, eine schwierige Zeit. "Wir hatten nur ein kleines Zimmer mit Küche und Toilette", erinnert sich Ismail F. Etwa zweieinhalb Jahre lang musste die Familie dort verbringen. "Ich konnte nicht richtig arbeiten, weil ich einfach nicht schlafen konnte." 2019 bekam Ismail F. schließlich eine Wohnung, die er von seinem geringen Gehalt bezahlt. Damals fand er auch seinen Job im Sicherheitsbereich, da war schon das dritte Kind geboren. Schließlich kamen im Oktober 2020 noch zwei Mädchen auf die Welt: Zwillinge.

"Ich will nicht mehr nach Somalia, das ist zu gefährlich."

Für die Familie ist es gerade in Corona-Zeiten nicht einfach, sich besser zu integrieren, auch wenn Ismail F. längst hervorragend Deutsch spricht und auch seine Ehefrau schon Deutschkurse besucht hat, diese aber wegen Corona und den Geburten der Kinder vorerst nicht weiter verfolgen konnte. Wegen der Pandemie können auch die Freunde der beiden älteren Kinder nicht vorbeikommen, auch mit der Hausaufgabenhilfe ist es in diesen Zeiten schwierig.

Viel Abwechslung haben die Kinder nicht in ihrem Alltag. Spielsachen sind teuer, die kann Ismail F. seinen Kindern nicht immer kaufen. Für die Familie wäre es auch wichtig, einmal für ein paar Tage abschalten zu können - in einer Pension oder einem kleinen Hotel. Schon einmal hat der Familienvater so etwas für seine Familie organisiert, es war ein Ausflug in die bayerischen Berge, den die Kinder und die beiden Erwachsenen in guter Erinnerung behalten haben.

Ismail F. muss häufig an die Mutter, die Schwester und die zwei Brüder denken, die noch immer in Somalia leben. Das macht ihn dann sehr traurig. Trotzdem steht für das Paar fest, dass es in Deutschland bleiben wird. "Ich will nicht mehr nach Somalia, das ist zu gefährlich", sagt Ismail F. Vor Kurzem hat er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt.

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