München:Radfahrer, die heiligen Kühe der Stadt

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Unser Kolumnist ist selbst gern mit dem Fahrrad in München unterwegs und stellt fest: Leider schaut es mit der Rücksichtnahme bei vielen Radlern suboptimal aus.

Kolumne von Manfred Schauer

Vor einigen Jahren hat sich München für würdig befunden, Radlhauptstadt Deutschlands zu sein. Keine schlechte Idee, wenn da halt nicht die Radler wären. Viele fühlten sich schlagartig, per Dekret, zur Münchner Variante von heiligen Kühen erhoben. Ich fahre gerne und nicht wenig mit dem Radl durch und um die Stadt. Meine Bremsen funktionieren, das Licht tut's auch, bei Rot bleib ich halt stehen, Einbahnstraßen mag ich nicht verkehrt befahren und beim Abbiegen, mein Gott, da tu ich halt meine Griffel raus, kostet ja nix.

Das liest sich jetzt, als schriebe es ein Exot im Großstadt-Dschungel. Nein, ich bin halt gern gesund und dürfte da wohl kaum zu einer Minderheit gehören.

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Leider schaut es mit der Rücksichtnahme bei vielen Radlern nur suboptimal aus. Es will mir nicht in den Schädel gehen, wie manche über den Gehsteig brettern, chancenlos für Fußgänger und vor allem für Kinder, wenn sie zum Beispiel aus der Haustür kommen. Einen Helm zur Sicherheit aufhaben, aber bei Rot über die Ampel fahren - was für eine verquere Logik.

Im Frühjahr haben wir einen Spaziergang an der Isar gezwungenermaßen abgebrochen: Da pesen sie mit Helm und Sonnenbrille (auch bei Regen) auf ihren Adrenalin-Bikes durch die Gegend, irgendwie zum Fürchten und zum Flüchten.

Ausgerüstet mit dem Wissen, dass Autos bei einem Unfall mit Radlern immer eine Mitschuld bekommen, gehört Gleichgültigkeit bei vielen zur mentalen Grundausstattung. Und was um Himmels Willen geht in den Köpfen von Leuten vor, die nachts ohne Licht unterwegs sind? Welch grandiose Verantwortungslosigkeit! Kommentare von Taxlern, Bus- oder Trambahnfahrern dazu sollte man sich ruhig mal anhören. Und schon beim ersten Tritt in die Pedale wird bei etlichen ein gewisser Fluchtinstinkt aktiviert.

Vergangenen Sommer, Ecke Arnulfstraße und Landshuter Allee, ist ein Radler bei Rot über die Ampel, ein Linienbus musste eine Vollbremsung hinlegen. Zwei Fahrgäste haben sich verletzt, vom Radler keine Spur. Das Gezeter war groß, als kurz über die Kennzeichnung von Radlern gesprochen wurde. Verständlich, das macht das Abhauen schwerer - die Ausrede war dann Datenschutz. Zwei Tage später hat ein Radler in Schwabing die Vorfahrt missachtet und ein Polizeiauto touchiert. Wie es da wohl mit der Mitschuld ausgeschaut hat?

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Liebe Pedalfreunde, die Braven gibt es natürlich auch, man spürt sie halt kaum. Ich mag die Freude und Vernunft vom Radlfahren nicht infrage stellen. Mir macht's auch deshalb Spaß, weil ich mich völlig entspannt an die Regeln halte. Freiheiten gibt es doch auch so noch genug, zum Beispiel die, mit einem leichten Räuscherl noch sein Velo fahren zu dürfen.

Das möchte ich speziell mit Blick auf die Wiesn anmerken: Mit dem Radl dahin ist es meist am einfachsten und Parkplatzprobleme gibt es nicht. Und wenn's Bier dann halt mal wieder besonders gut geschmeckt hat, machts vor dem Heimweg die Stützräder vorne dran. Da kann man besser sehen, wie breit man ist.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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