Prozess in München:Familienvater muss nach Raub für zwei Jahre in Haft

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Er hat einer 87 Jahre alten Frau am helllichten Tag die Handtasche geklaut. Die Reue des einschlägig vorbestraften Mannes überzeugt den Richter nicht.

Übertreiben kann man es mit allem - sogar mit Reuebekundungen. Zu oft und zu dick aufgetragen wirken sie nicht mehr, so wie im Fall eines Familienvaters, der sich vor einem Schöffengericht am Amtsgericht München verantworten musste. Der Mann hatte Mitte März dieses Jahres einer 87-jährigen Frau in Neuhausen am helllichten Tag die Handtasche geraubt. Darin befanden sich neben Einkäufen auch deren Portemonnaie mit rund einhundert Euro sowie verschiedene Dokumente.

Der Angeklagte hatte die Seniorin von hinten unter den Achseln gepackt, just in dem Moment, als sie vor ihrer Haustüre stand und nach ihrem Schlüssel suchte. Zwar gelang es der Seniorin zunächst ihre Tasche festzuhalten. Doch der 39-jährige Familienvater zerrte so kräftig daran, dass die alte Dame stürzte und von dem Täter einige Meter mitzogen wurde, ehe er ihr die Tasche schließlich entriss. Durch den Sturz erlitt die 87-Jährige eine Hautabschürfung sowie eine Prellung am linken Knie und an der Hüfte. Ein "klassischer Straßenraub", stellte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung lapidar fest.

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Der Polizei war es gelungen, den Familienvater noch am Tattag festzunehmen. Er kam in Untersuchungshaft. Offenbar ahnte er, dass es diesmal im Prozess eng für ihn werden könnte. Denn der 39-Jährige ist bereits einschlägig vorbestraft und befand sich auch schon für mehrere Monate in Haft. Bei seiner Einlassung zur Tat vor dem Schöffengericht zeigte er zwar Reue. "So was hab' ich noch nie gemacht", beteuerte er. Betrunken sei er gewesen und habe kaum noch eine Erinnerung an die Tat. "Ich schäme mich, ich schäme mich so sehr", beschwörte er den Amtsrichter und sagte, dass das kleinste seiner drei Kinder heute, am Tag der Verhandlung, Geburtstag habe.

"Natürlich", bekannte der Familienvater, sei er vorbestraft. "Das letzte Mal" wolle er noch eine Bewährungsstrafe. "Ich flehe Sie an. Ich werde nicht mehr Alkohol trinken. Ich werde mich an alles halten, an alle Vorschriften. Geben Sie mir die letzte Chance. Ich werde nie mehr etwas tun", versicherte der 39-Jährige dem Schöffengericht.

Das Wehklagen aber wirkte auf den Vorsitzenden Richter ganz offenbar derart theatralisch, dass ihm "Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Darbietung" gekommen seien, wie er in seinem Urteil anmerkt. Nicht zuletzt deshalb, weil der Angeklagte in seinen drei vorhergehenden Verhandlungen "nahezu wortgleich seine Reue bekundet und Besserung gelobt" habe, stellte der Richter fest. Zwar würdigte er die Entschuldigung des Angeklagten, hielt ihm aber vor, dass er mehrfach vorbestraft sei und es sich bei seinem Opfer um eine "gebrechliche Dame" gehandelt habe, gegen die er mit "erheblicher Brutalität" vorgegangen sei. Nur einem glücklichen Zufall sei es geschuldet, dass die 87-Jährig keine schwereren Verletzungen erlitten habe.

Für die auf die "Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung vertrauende Bevölkerung" wäre es "schlechthin unverständlich", wenn auf die Tat nicht mit einer Vollzugsstrafe reagiert werden würde. Das Urteil lautete deshalb auch: Zwei Jahre Haft ohne Bewährung. Der Familienvater hat nun Berufung vor dem Landgericht eingelegt. (Az. 854 Ls 243 Js 123347/21)

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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