Prozess:Diffamierende Briefe über Ex-Freundin verschickt

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  • Nachdem die Beziehung zu seiner Ex-Freundin in die Brüche gegangen war, versendete der Angeklagte unter anderem Screenshots ihrer Profile auf Sex-Dating-Plattformen.
  • Das Gericht verurteilte ihn wegen Nachstellung, Beleidigung und Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu 3000 Euro Geldstrafe.

Von Susi Wimmer

Arvid M. bittet um Verzeihung. Doch seine anschließenden, selbstmitleidigen Schuldzuweisungen sind nicht zu überhören. Ihm sei immenser Schaden entstanden durch diese Sache, jammert er. Wenn seine Ex-Freundin nach der Trennung nur einmal noch mit ihm geredet hätte ...

Marlene L. ( Name geändert) wollte von dem 52-Jährigen nichts mehr wissen, woraufhin Arvid M. im Herbst 2017 zu einem zerstörerischen Rundumschlag auf ihr Leben ansetzte: Er schickte Screenshots ihrer Profile von Online-Dating-Portalen mit ihren sexuellen Vorlieben und ihren Kontaktdaten an ihre Vorgesetzten, an ihr Lieblingsrestaurant, und sogar an ihren bevorzugten Supermarkt, verbunden mit Zeilen wie: "Hat einer von euch Lust?", um nur die harmloseste zu nennen. "Das sprengt alles", sagte Gabriele Krause, Richterin am Amtsgericht München.

Am Ende wird Arvid M. wegen Nachstellung, Beleidigung und Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro verurteilt. Die Richterin hat 150 Tagessätze festgelegt, damit gilt M. als vorbestraft. Während der Verhandlung wurde außerdem vereinbart, dass M. bis Ende nächsten Jahres an seine ehemalige Freundin 10 000 Euro als Entschädigung zu zahlen hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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"Meine Mandantin hofft, dass der Albtraum heute zu Ende geht", sagte Antje Brandes, Rechtsanwältin von Marlene L., in ihrem Plädoyer. Was in einer Katastrophe mündete, begann in den Augen von Arvid M. wie ein Liebesrausch. Im Frühjahr 2017 lernte er die Angestellte kennen, "wir hatten eine fantastische Zeit", erzählte M. Er habe die Frau hofiert, ihr hochwertige Geschenke gemacht wie ein Diamanten-Collier, sie hätten luxuriöse Reisen unternommen und in tollen Restaurants gegessen. Schon nach ein paar Monaten habe er einen Ehering gekauft und wollte Marlene L. seiner Familie vorstellen. Doch kurz vor dem Termin Anfang September habe sich die Frau per Handynachricht von ihm getrennt. "Ich war geschockt, ich hatte so viel investiert, ich war blamiert vor allen", erklärte Arvid M. dem Gericht. Zudem habe Marlene L. ein Gespräch verweigert.

In welcher Form Arvid M. seiner Ex-Freundin anschließend Gewalt antat, kam bei der Gerichtsverhandlung nicht zur Sprache. Jedenfalls erließ das Familiengericht im Oktober 2017 eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, die unter anderem Arvid M. jegliche Kontaktaufnahme zu Marlene L. untersagte.

Wenige Tage später begann der 52-Jährige, die herabwürdigenden Briefe zu verschicken - über einen Zeitraum von neun Monaten, insgesamt 28 Stück. Einmal etwa schrieb er an den Arbeitgeber von Marlene L., dass sie Affären zu anderen Männern pflege und einen "hohen Konsum an Sexpartnern" habe. Dann schickte er an die Firmenzentrale ihres Arbeitgebers ein Schreiben mit der Überschrift: "Für die nächste Betriebsfeier und alle Damen und Herren, die zwischendurch einmal Lust haben." Dazu gab er die vollständigen Kontaktdaten von Marlene L. an sowie Screenshots ihrer Profile auf Sex-Dating-Plattformen. Auf diesen Seiten, so sagt Nebenklage-Anwältin Brandes, sei M. selbst auch unterwegs gewesen. Es folgten bis Mai 2018 weitere, ähnlich gelagerte Briefe, die das komplette Lebensumfeld der Frau abdeckten.

"Ich lebe heute von der Hand in den Mund", behauptete M., befragt nach seinen finanziellen Verhältnissen. Seine Geschäftspartner hätten die gemeinsame Firma ausgeplündert, "mein ganzes Vermögen ist weg". Nun sei er seit zwei Jahren krankgeschrieben und müsse für zwei Kinder Unterhalt bezahlen. Bei einer monatlichen Belastung in Höhe von rund 3000 Euro und Einnahmen von 2300 Euro sah Richterin Krause Erklärungsbedarf. "Wovon leben Sie?" Daraufhin kam ein Darlehen über 65 000 Euro zur Sprache und aufgelöste Altersversorgungen für die Kinder in Höhe von 25 000 Euro. Auch seine Mutter habe Arvid M. mal 10 000, mal 20 000 Euro zugesteckt.

Die Staatsanwältin legte Arvid M. zur Last, dass er bis zum Prozessbeginn geschwiegen habe. Dadurch seien umfangreiche Ermittlungen notwendig gewesen, unter anderem wurden die Briefe auf DNA untersucht. Die Anwälte von Arvid M., Florian Mangold und Thorsten Ebermann, hatten nach einigem Hin und Her der Zahlung von 10 000 Euro an die Geschädigte zugestimmt. Das müsse für ihren Mandanten sprechen, meinte Mangold im Plädoyer. Er forderte 90 Tagessätze, die Untergrenze, um nicht als vorbestraft zu gelten. Doch Richterin Krause sah das Vorgehen von Arvid M. als zu massiv an. Er muss neben seinen Prozesskosten auch die der Nebenklage tragen.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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