München nach dem Champions-League-Finale:Wenn die Stadt des Glücks plötzlich verliert

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München ist alles andere als ein Verlierertyp. Die unglückliche Niederlage im eigenen Stadion hat die Stadt im Innersten getroffen. Über die Nacht, die vieles verändert hat.

Lisa Sonnabend

Aus den Fenstern hängen rote Fahnen, Trauerbeflaggung für eine Stadt. Die Scherben von der Straße sind bereits weggekehrt, als solle nichts mehr an die absurde Nacht von München erinnern. Vor einem Café in der Leopoldstraße sitzen ein paar Menschen und trinken Kaffee, nur einer trägt noch sein Ribéry-Trikot. Er sieht schlecht aus.

Entsetzen in München: Eine Stadt muss lernen mit einer Niederlage umgehen - mit was für einer. (Foto: dpa)

Es ist der Tag, nach dem München Geschichte schreiben hätte können, sollen, ja müssen. Doch es kam anders. Der FC Bayern hat das Finale der Champions League gegen FC Chelsea verloren, in der eigenen Stadt, im eigenen Stadion. Daheim.

Hunderttausende strömten schon am Samstagmittag in die Biergärten, in die Kneipen, zu den Fanfesten und manch Glücklicher ins Stadion. Doch als der Ball einfach nicht ins gegnerische Tor hinein wollte, wurden die Blicke immer nervöser, fassungsloser, ängstlicher. Manche kauten an den Fingernägeln, andere verschränkten die Arme, als könnten sie so das klopfende Herz ein wenig beruhigen. Es durfte nicht passieren, doch es passierte. Der FC Bayern verlor unglücklich im Elfmeterschießen und der kollektive Kater kam ein paar Stunden zu früh. Viel zu früh.

Die Leopoldstraße, auf der die Fans jubeln wollten, wurde abgesperrt: Damit die Münchner nach Hause gehen konnten. Selten haben so viele Menschen zur gleichen Zeit geweint. München ist verwundet worden. Eine Stadt im Innersten getroffen, die sonst so viel Dusel hat, die meist auf der Gewinnerseite steht. Die nie kollektiv jammert, außer wenn der Himmel am Wochenende einmal nicht weiß-blau strahlt.

Noch spät nachts sitzen drei Bayern-Fans vor einer Bar, starren vor sich hin, als könnten sie noch immer nicht fassen, was in der Arena in Fröttmaning passiert ist. Um sich zu wärmen, haben sie sich in rote Decken gehüllt. Arjen Robben lässt sich währenddessen beim Bankett der Bayern im Postpalast im Stuhl hängen, den Kopf auf die Lehne gestützt. Auf der Leopoldstraße sagt ein Passant zu seinem Bekannten: "Ich hätte jetzt Lust, eine Telefonzelle zu versetzen. Ganz weit weg, wo sie niemand braucht." Die Stadt weiß mit Niederlagen nicht umzugehen, sie ist sie nicht gewohnt.

Viele Witze haben die Münchner in den vergangenen Wochen gemacht, Witze über Berlin. Die Hauptstadt, die in die zweite Liga absteigt. Und die die Eröffnung ihres neuen Flughafens bis zum Sanktnimmerleinstag verschiebt. Nun ist die bayerische Landeshauptstadt selbst Zielscheibe für Spott geworden.

Am Vormittag nach dem Spiel hat sich vor einem Bäcker in Schwabing eine Schlange gebildet. Viktoria und Felix, ein junges Pärchen, frühstückt auf zwei klapprigen Stühlen vor dem Eingang. Gedrückt sei die Stimmung in der Stadt. Gedämpft. "Das spürt man gewaltig."

An einer Straßenkreuzung ein paar Meter entfernt halten Christa und Walter, ein älteres Ehepaar, auf ihren Rädern an. "Sie haben gut verloren", meint die Frau. Ein zweiter Platz sei doch auch etwas. Ihr Mann sagt: "Es war spannender wie ein Krimi." Und dann sprechen sie von München, Bayern und dem besonderen Image der Region. Ob das nun angekratzt ist?

Am Mittag nach dem Spiel strahlt die Stadt nicht in Rot, dafür der Himmel in Blau und Weiß. Ein herrlicher Sonntag, aber kein gewöhnlicher.

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