Max-Joseph-Platz:Solidarität mit denen, die unter Abtreibungsparagrafen leiden

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Unter dem Motto "Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch" demonstrieren Männer und Frauen auf dem Max-Joseph-Platz. (Foto: Sebastian Gabriel)
  • Gegen den Kompromiss zum Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen gingen am Wochenende etwa 80 Demonstranten vor der Oper auf die Straße.
  • Nach Ansicht der Demonstranten gehören die Paragrafen 218 und 219 im Strafgesetzbuch, die Abtreibungen und die Information darüber als Straftaten klassifizieren, nicht modifiziert, sondern abgschafft.
  • Vor allem die Debatte über den Paragrafen 219 flammte nach einem Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel auf. Sie hatte auf ihrer Homepage über Abtreibung informiert.

Von Heiner Effern

Die Wut und den Frust der Frauen hier bringt Juliane Beck auf den Punkt. "Letztlich ist alles beim Alten geblieben", ruft sie ins Mikrofon am Max-Joseph-Platz. Die Regierung in Berlin setze "die alte Hitlersche Bevölkerungspolitik" fort. Der Kompromiss zum Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen im Februar 2019 sei "in jeder Hinsicht" gescheitert. Dagegen protestiert die Rechtsanwältin, Mitglied im Vorstand des bundesweit tätigen Arbeitskreises Frauengesundheit, mit etwa 80 Gleichgesinnten am Samstag vor der Oper. Der Tenor ist eindeutig: Die Paragrafen 218 und 219 im Strafgesetzbuch, die Abtreibungen und die Information darüber als Straftaten klassifizieren, gehörten nicht modifiziert, sondern einfach nur gestrichen. Jede Frau müsse selbst entscheiden, ob sie ihr Kind bekommen wolle oder nicht.

Die vielen Frauen und wenigen Männer am Max-Joseph-Platz wollen Solidarität zeigen: mit denjenigen, die in München und Deutschland unter den gesetzlichen Vorgaben leiden, aber auch mit Frauen auf der ganzen Welt. Anlass ist der internationale "Safe Abortion Day", also der Tag für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Organisiert hat die Kundgebung das "Bayerische Bündnis für die Streichung des § 218 StGB". Rechtsanwältin Beck und ihre Mitstreiterinnen sehen den Grund für die Kriminalisierung auch in einer Gesellschaft, die zumindest von Männern dominiert wird. Frauen würden so "klein gehalten" und mit ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung "zu Bittstellerinnen gemacht".

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Die Debatte über den Paragrafen 219, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet, flammte nach einem Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel auf. Sie hatte auf ihrer Homepage über Abtreibung informiert, was als Gesetzesbruch eingestuft wurde. Der Streit über dieses Verfahren führte letztlich zu einer Gesetzesänderung am 21. Februar dieses Jahres. Diese halten die Opposition und viele Frauen-Organisationen für völlig ungenügend. Nun dürfen zwar Ärztinnen und Ärzte auf das Angebot des Schwangerschaftsabbruchs hinweisen, jedoch nicht auf Details eingehen. Grundsätzlich bleibt eine Abtreibung und auch die Werbung dafür strafbar. Als Ausnahme erlaubt sind Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche nach einer verbindlich vorgeschriebenen Beratung oder nach einer medizinischen Indikation.

Neben Vertreterinnen von Frauen-Organisationen sind auch die Münchner SPD und die Grünen zum Max-Joseph-Platz gekommen. Stadträtin Anja Berger (Grüne) kritisiert, dass schwangeren Frauen in Bayern der Zugang zu Informationen über Abtreibungen durch eine Sonderregelung noch schwerer gemacht würde als sonst in Deutschland. "Wir müssen ein lautes Signal an die Staatsregierung aussenden, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen." Dafür könnte sich auch die Münchner Stadtspitze einsetzen, sagt Berger. Doch das passiere nicht. Auch genaue Zahlen zu Schwangerschaftsabbrüchen in München lägen nicht vor. Einen Antrag, diese als Kommune zu erheben, hatte Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs im April abschlägig beschieden. Dafür sei die Stadt nicht zuständig, schrieb sie an die Grünen. Diese wollen nun im Stadtrat darüber diskutieren, auch wenn sich "die städtische Gesundheitsreferentin mit Händen und Füßen gegen das Thema wehrt", sagt Stadträtin Berger in ihrer Rede.

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Auch die Jusos fordern, dass sich beim Thema Abtreibung in München etwas ändern müsse. "Die städtischen Kliniken müssen Vorreiterinnen werden", verlangt etwa Lena Odell in ihrer Ansprache. Es könne nicht sein, dass Frauen woanders hinfahren müssten, um ihre Schwangerschaft abzubrechen. Dazu müsse die medizinische Ausbildung verbindlich um dieses Thema erweitert werden.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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