München:Ein Münchner im Himmel

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Eine der Leidenschaften des Ernst Fischer war das Golfspielen. Sein Freund Luis Murschetz zeichnete ihn beim himmlischen Putten. Zeichnung: Murschetz (Foto: N/A)

Ernst Fischer hat als Vize-Chef der SZ deren Gesellschaftskolumne erfunden. Mit dieser wäre er unglücklich. Wir sind es auch

Von Christian Krügel, München

Ernst Fischer hätte diesen Text sofort aus der Zeitung genommen. Die folgenden Zeilen wären bei ihm nie als "Szenario" durchgegangen. Er selbst hatte diese Rubrik im Lokalteil der Süddeutschen Zeitung eingeführt, kurz nachdem er 1996 als Vize-Chefredakteur nach München zurückgekehrt war. Seine Mission damals: die München- und Bayern-Berichterstattung der SZ umkrempeln, mehr Leben und mehr "Leit" ins Blatt bringen. Vor allem auch die Reichen, Schönen und Verrückten: Die machten für ihn schon auch München aus, und ausgerechnet über sie sahen die SZ-Redakteure oft allzu snobistisch hinweg. Glamour und Schickimicki überließen sie lieber der Abendzeitung, bei der der junge Journalist Ernst Fischer groß geworden war und die er selbst noch größer gemacht hatte. Bei der SZ erfand er also Jahre später das "Szenario", aber eine Leichenfeier als Thema dafür, das hätte Fischer nie durchgehen lassen.

Doch um nichts anderes geht es traurigerweise hier, auch wenn dieses Szenario im Schumann's spielt. Der "Fischer Ernstl" ist vergangene Woche im Alter von 74 Jahren gestorben, nach schwerer Krankheit, was aber dennoch kein Trost ist für die vielen Zeitungs- und Medienmenschen, denen Fischer Chef, Kollege, Mentor und Freund war. Von ihm, dem durchaus auch gottesfürchtigen Niederbayern, kann man nicht nur mit einem katholischen Trauergottesdienst Abschied nehmen, selbst wenn er in Fischers geliebtem Schwabing, in St. Ursula, stattfand. Also treffen sich danach mindestens zwei Generationen Münchner und Hamburger Journalisten, Kabarettisten, Karikaturisten in Fischers Lieblingsbar. Dort hatte er seit Jahren jeden Montag seinen Stammtisch, die "Rheumaecke", wie Charles Schumann ihn nennt. SZ-Feuilleton-Redakteurin Christine Dössel gehört zu den Besuchern, sie hält an diesem Abschiedsnachmittag eine große Rede auf Fischer, den "Grandseigneur, Connaisseur und Münchner Gaststätten-Flaneur" - und auch den "großen bayerischen Charmeur". "Er war ein Journalist mit Leib und Seele, mit Haut und Haar - seinem Wuschelhaar. Ein großer Mann des Lokaljournalismus. Ein richtig alter Hase und cooler Hund mit Käppi und Kippe und tausend Kontakten, von dem man wahnsinnig viel lernen konnte", sagt Dössel. Auch ein harter Chef, einer, der einen zur Weißglut bringen konnte. Oder wie es Elke Reichart, die frühere AZ-Reporterin und eine von Fischers vielen Schülerinnen, beschreibt: "Solange man's noch nicht konnte, war Fischer der beste und geduldigste Ausbilder. Aber ab dem Moment, ab dem man's konnte, war er wahnsinnig fordernd."

Fischer war jemand, der bei anderen alles wahrnahm, um sich selbst aber nie Aufhebens machte, schon gar nicht um sein Äußeres. "Seine Schuhe hob er nie höher als die Dicke eines Pfennigs": So erinnert sich Rolf Schmidt-Holtz an diesem Nachmittag. Der damalige Stern-Chef und Morgenpost-Herausgeber holte Fischer Ende der Achtziger Jahre nach Hamburg. Der gebürtige, nuschelnde Straubinger an der Waterkant: Viele hätten an dieser Wahl gezweifelt, erzählt Schmidt-Holtz. "Doch nach zehn Wochen kannte Fischer die Stadt besser als jeder Hamburger Lokaljournalist."

Egal, ob München oder Hamburg: Er habe die Städte, über die er schrieb, erfühlt und geliebt. Bei aller Schroffheit habe er Kollegen wie Lesern immer eines zeigen wollen: "die Schönheit der Dinge und des Lebens". Ein schöner Satz zum Ende einer schönen Leich'. Aber Szenario ist das jetzt keins.

© SZ vom 30.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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