Formen der Partizipation:Bezirksausschüsse lehnen neues Konzept zur Bürgerbeteiligung ab

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In den Bezirksausschüssen wird lebhaft diskutiert, wie die Bürger in Entscheidungsprozesse eingebunden werden können - und wie nicht. (Foto: Florian Peljak)

Die Stadt hat Vorschläge für mehr demokratische Teilhabe erarbeiten lassen. Doch die Ideen in dem Papier stoßen auf breiten Widerstand bei den etablierten Lokalpolitikern.

Von Jürgen Wolfram

In Schwabing-Freimann feilen sie noch fraktionsübergreifend an einer Stellungnahme, in Aubing warnen sie vor "Doppelstrukturen" und "gegenseitigen Blockaden", in Sendling-Westpark lehnen sie das Konzept der Stadt für die "analoge und digitale Öffentlichkeitsbeteiligung" rundweg ab. In den Münchner Vierteln ist eine lebhafte Diskussion darüber in Gang gekommen, wie Bürgerinnen und Bürger besser in Entscheidungsprozesse eingebunden werden könnten. Die auf Partizipation spezialisierte Agentur Zebralog hat dazu ein 76 Seiten starkes Exposé erarbeitet und der Stadtverwaltung vorgelegt. Darin ist - zur Verwunderung vieler Mitglieder von Bezirksausschüssen (BAs) - auch von der Schaffung einer Fachstelle und eines "Beirats für Öffentlichkeitsbeteiligung" die Rede. Dabei fühlen sich die Stadtteilgremien doch selbst nah genug dran am Bürger.

Tief eingestiegen ins Thema sind zuletzt die Lokalpolitiker in Sendling-Westpark. Trotz teils divergierender Ansichten zu künftigen Formen der Bürgerbeteiligung kristallisiert sich hier eine Haltung heraus: So wie die Stadt sich das vorstellt, will keine Fraktion im Bezirksausschuss das Vorhaben mittragen. "Es wäre ein Rückschritt", heißt es unmissverständlich in einer Stellungnahme, schon weil das Konzept "Standortnähe" vermissen lasse.

Zwar begrüße man das Vorhaben, Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung weiterzuentwickeln, doch dazu müsse zunächst eine Reihe von Forderungen erfüllt werden. Für den BA Sendling-Westpark zählt dazu eine stärkere Einbeziehung der Stadtteilgremien sowohl bei der Ausarbeitung, als auch bei der Umsetzung von Vorschlägen zur Bürgerbeteiligung. Zu evaluieren sei schließlich kein gesamtstädtisches Projekt, sondern spezifische Vorhaben der jeweiligen Stadtbezirke.

Das Konzept fokussiere sich "zu sehr auf neue und stadtweite Themen"

Bei der Frage der Bürgerbeteiligung schwingen auch finanzielle Aspekte mit. Hier solle, so meint man nicht nur in Sendling-Westpark, zunächst "das Verfahren des bestehenden Stadtbezirksbudgets und die Bestellung städtischer Leistungen optimiert werden", statt vorschnell ein neuartiges Bürgerbudget einzuführen. Dieses Bürgerbudget irritiert auch den Bezirksausschuss Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln (BA 19). In seinem Positionspapier, das die CSU-Fraktion formuliert hat und das einstimmig angenommen worden ist, wird auf die "Gefahr eines Mobilisierungswettbewerbs verschiedener Stadtteile und/oder gesellschaftlicher Gruppen" hingewiesen.

Auch die Lokalpolitiker aus dem Münchner Süden finden eine "generelle Überprüfung vorhandener Beteiligungsformen" grundsätzlich gut. Doch im vorliegenden Konzept liege der Fokus "zu sehr auf neuen und stadtweiten Themen und zu wenig auf dem Ausbau, der Unterstützung und Weiterentwicklung vorhandener Formate", wie sie Stadtverwaltung und Bezirksausschüsse schon kennen. Vermisst werden Hinweise, "wie die Zusammenarbeit mit Bezirksausschüssen und deren Geschäftsstellen" funktionieren soll.

Breiten Raum nimmt in fast allen bisherigen Stellungnahmen das Thema Bürgerversammlung ein. Dieses Format bedürfe durchaus einer "Anpassung", meint man im Süden. So sollten Anträge vorab eingereicht werden, damit sich die Bürger gründlich darüber informieren können, ehe es zur Abstimmung kommt. Auch könnten sich die Stadtverwaltung und die Bezirksausschüsse besser vorbereiten. Interessant fände es der BA 19 zu erfahren, wie vielen Empfehlungen aus Bürgerversammlungen "letztendlich entsprochen" und wie viele abgelehnt wurden.

Die Mitwirkung der Bezirksausschüsse sei unverzichtbar

Jedes Beteiligungsverfahren müsse zum Ziel haben, vorhandene Strukturen zu stärken. Ferner sei "klar zu kommunizieren", welchen Einfluss Bürgerinnen und Bürger überhaupt auf das Ergebnis hätten. Bei Anregungen aus der Bevölkerung müsse der jeweils aktuelle Sachstand "digital, einfach und schnell verfügbar sein", heißt es in der Stellungnahme aus Fürstenried. Dankbar wären die dortigen Stadtteilpolitiker für "konkrete Beispiele dieser neuen Formen der Partizipation". Ausdrücklich weisen sie auf die unverzichtbare Mitwirkung der Bezirksausschüsse hin sowie darauf, dass es notwendig sei, in deren Geschäftsstellen "entsprechende zusätzliche Personalressourcen" zu schaffen, damit die ehrenamtlich tätigen BA-Mitglieder adäquat unterstützt werden könnten.

Im Rahmen eines Workshops waren die Bezirksausschüsse schon einmal in die Diskussion über das "Gesamtstädtische Konzept für die analoge und digitale Öffentlichkeitsbeteiligung" einbezogen. Sie betrachteten die Veranstaltung überwiegend als Auftakt zu einem längeren Meinungsbildungsprozess. Denn zunächst seien, wie Patric Wolf (CSU) aus Schwabing-Freimann seinerzeit kritisch bilanzierte, "aufkommende Gedanken überhaupt nicht ins Konzept eingeflossen".

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