Müllfahrzeuge für Krisenregion:Orangene Revolution

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Vier ausrangierte Müllfahrzeuge schenkt München Aleppo (Foto: Stephan Rumpf)

In der umkämpften syrischen Stadt Aleppo türmt sich der Müll meterhoch, die Seuchengefahr ist groß. Auf eine Initiative des Kabarettisten Christian Springer schickt die Stadt München nun vier alte Müllfahrzeuge ins Krisengebiet.

Von Silke Lode

In München haben sie ausgedient, die vier Müllfahrzeuge, die der Abfallwirtschaftsbetrieb im Frühjahr aussortiert hat. Doch wenn der Plan des Kabarettisten Christian Springer aufgeht, werden die Fahrzeuge schon bald dazu beitragen, eine humanitäre Katastrophe zu bekämpfen. In Bayern ist Springer vor allem in seiner Paraderolle als "Fonsi" bekannt, doch seit zwei Jahren engagiert sich der Kabarettist sehr ernsthaft mit seinem Verein "Orienthelfer" für die Opfer des Bürgerkriegs in Syrien. Ende Februar ist Springer auf den Wirtschaftsreferenten Dieter Reiter zugegangen und hat ihn um Müllfahrzeuge für Aleppo gebeten. Am Donnerstag hat der Stadtrat die vier ausrangierten Fahrzeuge der syrischen Stadt geschenkt.

Ganz einfach war die Sache nicht, denn eine Kommune darf ihr Eigentum eigentlich nicht verschenken, und bei einer Auktion hätten die Fahrzeuge nach Schätzungen noch etwa 36 000 Euro eingebracht. Doch die zuständigen Juristen machten eine Ausnahme - nicht zuletzt, weil das Auswärtige Amt die Initiative begrüßt und keinerlei politische Bedenken hat.

"Ich bin stolz auf meine Stadt", sagt Christian Springer - und das meint er ganz ernst. Eine Millionenstadt wie München habe innerhalb von zehn Wochen entschieden, unbürokratisch humanitäre Hilfe zu leisten. "München hat nicht nur das Herz am rechten Fleck, sondern auch den Arsch in der Hose, so etwas anzupacken", freut sich Springer. Er weiß, dass bei der Lösung des Müllproblems jeder Tag zählt. "In Deutschland haben wir vergessen, dass die Müllabfuhr zu den Lebensrettern gehört", sagt Springer. Hunderte Kinder hätten sich bereits mit der als "Aleppobeule" bekannten Infektionskrankheit Leishmaniose angesteckt. "In Aleppo ziehen sich bis zu sechs Meter hohe Müllberge kilometerweit durch die Viertel", schildert Springer die Lage. Kinder wühlen im Müll zwischen den Ratten nach Verwertbarem, die Gefahr einer Ruhr- und Cholera-Epidemie steigt. Auch das Auswärtige Amt bestätigt: "Das ungelöste Müllproblem ist in der umkämpften Stadt Aleppo und Umgebung zu einem erheblichen Problem geworden."

Trotzdem müssen sich die "Orienthelfer" noch etwas gedulden: Erst müssen die Fahrzeuge repariert werden, dann werden sie in Salzburg auf den Zug nach Triest verladen und dort auf eine Fähre ins türkische Mersin. Noch in der Türkei werden Syrer in die Fahrzeugtechnik eingewiesen, für den Geleitschutz über die Grenze und weiter nach Aleppo sorgt die Freie Syrische Armee, die das Gebiet kontrolliert.

"Dann gehen die Fahrzeuge an die zivile Stadtverwaltung von Aleppo. Das ist eine rein humanitäre Hilfsaktion, die nichts damit zu tun hat, dass sich München auf eine Seite der kriegerischen Auseinandersetzungen stellt", betont Springer. Eben dies hatte die Linke im Stadtrat moniert, blieb mit ihren Bedenken aber allein. Die Mehrheit hat Vertrauen in die Helfer. "Wir wollen, dass jeder Cent dort ankommt, wo er hingehört", sagt Springer und erklärt, dass es neben Regierung und Opposition noch eine dritte Seite gebe: eine kriminelle Mafia von Kriegsgewinnlern, die nur auf der Seite des Geldes stünde. "Unsere Beziehungen nach Syrien sind jetzt so gut, dass wir garantieren können, dass die Autos in zivile Hände kommen und dort auch bleiben", verspricht er. Nach der Münchner Entscheidung hat am Freitag auch der Landkreis Passau ein Müllauto versprochen - und Springer hofft auf weitere Zusagen für seinen Hilfskonvoi aus Bayern.

© SZ vom 04.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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