Moosach:"Wie gierige Investoren"

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Die Neubaupläne an der Bautzener Straße verunsichern und verärgern Mieter und Mitglieder der Baugenossenschaft Hartmannshofen. Der Vorstand weist den Vorwurf der Intransparenz zurück und betont die Notwendigkeit, bezahlbaren Wohnraum für Familien zu schaffen

Von Anita Naujokat, Moosach

Große Befürchtungen hegen Mieter und Mitglieder wegen der jüngsten Pläne der Baugenossenschaft Hartmannshofen. Diese lässt gerade von der Lokalbaukommission (LBK) im Planungsreferat prüfen, ob die vier unsanierten Kopfbauten an der Bautzener Straße 6 a, 12 a, 18 a und 26 abgerissen und neu und höher errichtet werden können. Betroffen wären 36 Parteien in den dreigeschossigen Häusern, die dann auf jeweils sieben Etagen anwachsen sollen. Entstehen würden rund 40 zusätzliche Wohnungen, sagt Klaus Berghofer, Geschäftsführender Vorstand. Damit wolle die Baugenossenschaft mehr preisgünstigen Wohnraum für Familien schaffen. Geplant sind außerdem eine Kita auf mehr als 600 Quadratmetern und eine durchgehende Tiefgarage, die das Grün oben schonen solle.

Die Unruhe ist groß - noch dazu, weil Betroffene sagen, sie hätten nur durch Zufall von den Plänen erfahren, als sie auf der Tagesordnung des Bezirksausschusses (BA) standen, ohne dass die Baugenossenschaft sie vorher informiert hätte. Ein Anwohner-Sprecher kritisiert die von Anfang an fehlende Kommunikation der Baugenossenschaft gegenüber den Mietern. Sie habe nie offenbart, dass keine Sanierungen geplant seien, sondern der Komplettabriss der Wohngebäude. Auch seitdem reißen die Klagen nicht ab. Andere werfen der Baugenossenschaft neben mangelnder Kommunikation Intransparenz, Unstimmigkeiten wie auf der Mitgliederliste vor - von den 935 Mitgliedern sei 41 ein Alter von 121 Jahren zugeschrieben - und ein Agieren, das den Genossenschaftsgedanken aushöhle. Sie wollen, dass die Baugenossenschaft den Bestand erhält und restauriert, und nicht "wie gierige Investoren" auf dem freien Wohnungsmarkt unverträglich nachverdichtet.

Einer der vier Kopfbauten an der Bautzener Straße, die abgerissen und durch siebenstöckige ersetzt werden sollen. (Foto: Florian Peljak)

Jahrelang sei nichts an und in den Häusern gemacht worden, außer Flickschusterei. Mitentscheiden? "Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt, wie Mieter, nicht wie Anteilseigner", sagt eine Bewohnerin. Schäden an den Fassaden, abblätternde Fensterrahmen, ein undichter Dachboden, durch den Nässe eindringe und Schimmel verursache, seit fünf Jahren nur provisorisch mit einer Plastikplane abgedeckt, die Regenwasser auch nicht aufhalte. Beschwere man sich, heiße es, der Schimmel in Wohnungen komme durch falsches Lüften. Immerhin sei begonnen worden, die Flure zu streichen.

Auf den Vorwurf, nicht mit offenen Karten gespielt zu haben, entgegnet Berghofer, man habe nicht vorab Unruhe schaffen wollen, bevor überhaupt feststehe, ob das Vorhaben auch so realisiert werden könne. Er kommt auf ein ganz ähnliches Beispiel an der Stauffenbergstraße vor fünf Jahren in Schwabing-West zu sprechen. Dort hatte die Baugenossenschaft Hartmannshofen anstelle eines vorhandenen Wohnhauses mit zwölf Parteien einen Neubau mit 24 Wohnungen auf fünf Stockwerken als Nachverdichtung im Innenhof geplant. Auch da waren die Bewohner ahnungslos, warteten vielmehr auf eine versprochene Sanierung. Dort habe das schnelle Vorpreschen des BA letztlich völlig unbegründet zu einem gestörten Vertrauensverhältnis geführt, sagt Berghofer. "Das ist leider die Kröte der Bauvoranfragen." Sie brächten Unruhe hinein, obwohl noch keine Tatsachen auf dem Tisch lägen. 2017 hatte die LBK dieses Vorhaben überwiegend negativ beurteilt.

Mit der Sanierung der Punkthäuser in der Anlage soll bald begonnen werden. (Foto: Florian Peljak)

In Moosach habe man anders als in Schwabing den BA frühzeitig eingebunden und kurz danach Informationen auf die Webseite eingestellt, sagt Berghofer. Hausaushänge hätten darauf hingewiesen, sich online über die Entwicklung informieren zu können. Auf den Sanierungsstau angesprochen, erklärte Berghofer, nicht alles auf einmal machen zu können. Erst habe man die älteren Anlagen aus den 1950er-Jahren wie die an der Ernst-Platz-Straße und die der Bautzener Straße westlich der Kopfbauten generalüberholen müssen. Die Kopfbauten auf der Seite des Hartmannshofer Bachs seien mit Baujahr 1966 viel jünger. "Wir wissen, dass sie mit einer Sanierung in großem Rahmen dran wären, das ist nicht in Klein-Klein zu machen." Die große Krux aber sei, dass man viel zu wenige Wohnungen für Familien habe, gerade einmal zehn Prozent im Bestand aller 840 Einheiten in München. Deshalb sei man auf die Idee gekommen, nachzuverdichten. Doch einen reinen Dachgeschossausbau hatte die LBK 1995 abgelehnt, 20 Jahre später scheiterte eine Aufstockung mit zusätzlichen Queranbauten an zu hohen Anforderungen.

Mitglieder wollen innerhalb der Genossenschaftsbauten auch einen hohen Leerstand beobachtet haben, den Berghofer allerdings für "unwesentlich" hält. Das Gebäude Karl-Lipp-Straße 22 und 24, das ebenfalls zum Genossenschaftsbestand gehört - es soll 2025 neu errichtet werden - stehe nicht seit zehn Jahren leer, sondern erst seit zwei Jahren würden erste Wohnungen peu à peu nicht mehr nachbesetzt. Bis 2019 habe es dort komplett befristete Mietverträge gegeben, andere jeweils verlängert.

"Die Häuser sind nicht in schönstem Zustand", räumt auch die Baugenossenschaft Hartmannshofen ein. (Foto: Florian Peljak)

Doch sei es wirtschaftlich, in den wenigen kürzlich sanierten Kopfbau-Wohnungen mehr als das Nötigste zu renovieren, wenn sie doch abgerissen werden sollen? Diese Wohnungen seien nur so hergerichtet worden, dass sie wieder bewohnbar seien, erwidert Berghofer. "Warum mache ich das Ganze?", fragt er. "Ich könnte auch die Füße hochlegen und nichts weiter tun als den Bestand zu verwalten." Seine Motivation sei der "große Glaube" daran, dass München mehr günstigen Wohnraum brauche, "auch gegen die Interessen einzelner Betroffener". Die wollen jedoch nicht locker lassen.

In Schwabing-West hatten es die Lokalpolitiker für die Pflicht gerade einer Genossenschaft gehalten, ihre Mieter frühzeitig zu informieren. Um Ängste gar nicht erst aufkeimen zu lassen. In Moosach haben die Bürgervertreter die Bauvoranfrage der Genossen einstimmig unterstützt.

© SZ vom 06.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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