Moosach:Linien aus der Luft

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Der Comic-Zeichner Jakob Louis Rümmelein lässt seine Aliens aus dem All in der Borstei den Aufstand proben

Von Nicole Graner

Er kommt schnell gefallen. Von oben. Irgendwoher aus dem blau-dunklen All. Seine Haare haben sich aufgestellt, vielleicht vom Flug durch eine Galaxie, und die dünnen Ärmchen rudern ein bisschen unbeholfen in der Luft. Seine Augen, das linke viel größer als das rechte, haben einen kalten, starren Blick. Aus dem ovalen, geöffneten Fischmund treten spitze Zähne. Aber das Alien - es ist eindeutig männlich - hat sich für seinen Flug herausgeputzt. Es trägt Jackett, Weste und Krawatte. Wie alle Aliens von Jakob Louis Rümmelein, die in dem winzigen Ausstellungsraum in der Borstei die Invasion proben.

Für Jakob Louis Rümmelein selbst sind seine Zeichnungen keine hohe Kunst, sagt er bescheiden. Dennoch zeigt seine erste Schau, dass die Bilder gefallen. (Foto: privat)

Der 23-Jährige steht vor seinen Bildern, die er das erste Mal öffentlich zeigt. Er schüttelt den Kopf und lächelt leise in sich hinein. Fast an jedem Rahmen klebt ein roter Punkt. Verkauft. "Ich hätte nie gedacht, dass den Leuten dieser Comic-Stil so gefällt", sagt er und fügt bescheiden hinzu: "Ist ja keine hohe Kunst." Stimmt nicht ganz. Man kann seine Zeichnungen nicht mit Bildern Alter Meister vergleichen. Wozu auch? Aber mit Arbeiten des bekannten japanischen Zeichners Yoshitomo Nara, den Rümmelein nicht als Vorbild, aber als Motivator für seine Arbeiten entdeckt hat. "Ich habe die Arbeiten gesehen, und das Ganze war wie eine Erleuchtung für mich", sagt er. Er habe erkannt, dass man mit unterhaltenden Zeichnungen Menschen ansprechen kann. Es war, wenn man so will, für den jungen Münchner die Bestätigung seiner Arbeit - die dadurch schon zur Kunst wird, weil sie ganz frei und ohne Vorgaben in Augenblicken entsteht.

Eine Figur von Rümmelein ist auch auf dem Plakat zu seiner Ausstellung in der Borstei zu sehen. (Foto: privat)

Yoshitomo Nara will mit außergewöhnlichen Kinderzeichnungen unterhalten. Seine Figuren rebellieren gegen gesellschaftliche Strukturen, gegen Normalität und Abgestumpftheit. Seine Kinder ballen die Fäuste, zeigen die Zähne, schauen böse. Rümmeleins Aliens sind ganz anders. Sie rebellieren nicht, haben keine menschlichen Gesichter. Seine "Space Aristocrats" wie er sie nennt, sind Geschäftsmänner, die aus einer anderen Welt auf die Erde fallen. Die vielleicht sogar schon längst dort sind, weil sie letztlich Menschen sind - mit vielen Gesichtern, Sehnsüchten und Gedanken, die auch mal keine freundlichen sind. "Manche Betrachter", sagt der Künstler, "entdecken sogar sich darin".

Sitzt da, als könnte er kein Wässerlein trüben: Alien-Zeichner Jakob Louis Rümmelein. (Foto: privat)

Die kleinformatigen Bilder sind aus Holz. Die Figuren werden direkt auf das Holz gezeichnet. "In einem Rutsch", wie Rümmelein sagt. Dann wird das Ganze mit transparentem Künstlertape überklebt. Mit einem Skalpell schneidet der junge Künstler die Aliens akkurat aus, grundiert die Arbeit und zieht zum Schluss das Tape ab. So bleibt die Figur hell und scheint direkt aus dem All heraus zu schweben. Aber in einem Guss eine Figur zeichnen?

Rümmelein macht es vor, ist schnell mit seinem schwarzen Fineliner. Ein Auge, ein zweites, das große Maul und ein großer Bogen als Kopf - schon entsteht ein Wesen auf dem Skizzenblock, eine aus dem Kopf entsprungene Fantasiefigur. Nichts ist geplant, alles möglich, und Verzeichnen gibt es nicht. "Ich beginne immer mit einem Auge, alles andere entsteht während des Zeichnens." Wie kann man so schnell Gesichter zeichnen? "Übung", sagt Rümmelein. "Übung." Gezeichnet habe er schon als Dreijähriger. Einen abstrakten Hahn zum Beispiel. Papier und Stift lagen im Haus immer griffbereit herum. Der Vater Industriedesigner, die Mutter Schauspielerin, Buchautorin und Synchronsprecherin, und eine Schwester, die ebenfalls auf der Bühne steht, singt und Filme dreht - kein Wunder, dass die Kreativität auch bei Jakob Louis Rümmelein Wurzeln schlägt. Er zeichnet Donald Duck nach. Immer und immer wieder. Irgendwann setzt er die Augen, hundertmal gezeichnet, einfach auf eine andere Figur. Erfindet neue Typen, Tiere. Er malt heimlich im Unterricht. Auf Blöcke, in Hefte und - ja, auch mal auf die Bank. Schnell und fokussiert. Erwischen lassen ging ja nicht. Das Abi macht er wegen seiner Familie, wie er sagt. Nicht für sich. Denn er weiß ja längst, was er will: zeichnen. Und irgendwann einmal davon leben.

Immer fängt er mit dem Auge an: Danach zeichnet der 23-Jährige in Windeseile alles Weitere. (Foto: privat)

Der erste Schritt ist geschafft. Seine Aristrocrats und seine lustigen Fische werden an Wänden hängen. Ein Erfolg, der den 23-Jährigen beflügelt und ihm in seinem kleinen Keller-Atelier neue Arbeit beschert. Denn er braucht Nachschub. Und nicht nur das. Er möchte auch experimentieren. Den Fineliner mal gegen den Pinsel tauschen, kleinformatige Bilder gegen großformatige. Die ersten Arbeiten sind in der Ausstellung schon zu sehen. Doch sie gehören noch nicht so ganz zu ihm. Die Leichtigkeit des Augenblicks, die Rümmeleins Zeichnungen ausmachen, fehlt. Unweigerlich wandert der Blick auf die Aliens aus dem All und man wünscht sich, dass der 23-jährige Künstler nur nicht zur "hohen Kunst" wechseln möge. Wichtig ist nur, dass Rümmelein zeichnet. Auch ohne Studium. Ganz frei. Weil ihn das Zeichnen, wie er mit klarer Stimme und einem Leuchten in den Augen sagt, "am glücklichsten macht".

Space Aristocrats : Zu sehen bis Donnerstag, 28. Februar, Franz-Marc-Straße 8; Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag, von 11 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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