Mitten in Sendling-Westpark:Brösel kennt den Weg

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Nicht alle Gäste der monatlichen Bezirksausschuss-Sitzungen können sich gut riechen

Kolumne von Berthold Neff

Wer von Berufs wegen immer wieder eine bestimmte Lokalität aufsucht, um danach zu berichten, was sich dort zu später Abendstunde zugetragen hat, fragt sich schon mal dies: Warum sitzen hinten im Saal immer wieder Menschen, die gebannt zu sein scheinen von der Inbrunst, mit der die Mitglieder des Bezirksausschusses einmal im Monat über abgesenkte Bordsteine, holprige Gehwege und zu fällende Bäume diskutieren? Sitzen da, ohne mit Zwischenrufen aufzufallen, notieren sich nichts.

Das unterscheidet sie von denjenigen, die im Stadtviertel-Gremium erschienen sind, um etwas zu verhindern, wobei die Spannweite der Dinge, die es zu stoppen gilt, von einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach bis hin zu einer Tischtennisplatte vor der Haustür reicht. Gerne wird, vor allem nach lauen Sommernächten, über lärmende Jugendliche auf dem benachbarten Bolzplatz gewettert.

Angesichts des Redeflusses, den besorgte Bürger mitunter entwickeln können, empfiehlt es sich, den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzung durch gewisse Regularien sicherzustellen. Im Bezirksausschuss (BA) Sendling-Westpark hat es sich zum Beispiel bewährt, die Redezeit beim Tagesordnungspunkt "Bürgerinnen und Bürger haben das Wort" auf drei Minuten zu beschränken. Regelmäßig weist der BA-Vorsitzende Günter Keller (SPD) auch darauf hin, dass Wortmeldungen von Bürgerseite im weiteren Sitzungsverlauf nicht mehr gestattet sind - es sei denn, der BA erlaube dies per Beschluss. Stets hat der BA-Chef auch eine Glocke zur Hand, um mit ihr den Ablauf der Redezeit zu signalisieren, was aber höchst selten vonnöten ist.

Wenn die Glocke aber mal ertönt, spitzt einer der BA-Stammgäste, der nie etwas sagt, zuverlässig die Ohren - Brösel, Golden Retriever und treuer Begleiter seines Frauchens Lena Fiedler, die für die Grünen im Gremium sitzt. Kürzlich stand Brösel ohne Frauchen am Tisch der Grünen, was Alfred Schmidt (SPD) im Vorübergehen mit der launigen Bemerkung quittierte: "Ist Brösel heute alleine gekommen?" Zuzutrauen wäre es ihm, den Weg von der U-Bahn-Station Holzapfelkreuth bis zum Harras kennt er ja. Und die Menschen, die hier die Geschicke seines Viertels bestimmen, sowieso. Die meisten von ihnen kann er auch gut riechen.

© SZ vom 02.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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