Mitten in Schwabing:Stehen ist das halbe Leben

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Aufstand oder Widerstand? Die Würdigung der "Freiheitsaktion Bayern" erweist sich als ausgesprochen schwierig, zumindest in sprachlicher Hinsicht

Von Stefan Mühleisen

Es gibt Worte, die schleichen sich derart in den Sprachgebrauch, dass es ohne sie gar nicht mehr geht. "Stehen" zum Beispiel ist so ein aufdringliches Wörtchen, das sich im Wortschatz schier alternativlos ausgebreitet hat und im Sprachalltag wuchert wie Schwammerl im Wald.

Schon als Kind brauchen wir ständig Beistand, bald stehen wir auf diesen oder jene, avancieren zum Vorstand oder unterstehen einem Vorsteher. Fortlaufend stehen wir in Schlangen oder auf S-Bahnhöfen herum oder an Christkindlmarkt-Standln, begutachten dabei womöglich abstehende Ohren, denken an Außenstände oder beklagen uns über die Zustände.

Manchmal steht auch dies oder das zu befürchten, das kann auch mal ein unpassender Bestandteil auf einem Straßenschild sein. Dazu entstand jetzt erst eine Debatte im Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, der sich für solche Sachen auch zuständig fühlt. Es stand zur Debatte, ob die "Freiheitsaktion Bayern" 1945, nur wenige Tage vor Kriegsende, ein "Aufstand" oder ein "Widerstand" gewesen sei. Immerhin war es eine Sitzung, kein Stehempfang, bei der die Lokalpolitiker darüber stritten, welcher Erklärtext dem Schild "Münchner Freiheit" gut anstehen würde.

Denn: Der Platz ist zu Ehren der Auf- und Widerständigen benannt worden, die seinerzeit alles andere als still herumstanden, als es darum ging, das NS-Regime zum Teufel zu jagen, obwohl die Tätigkeit des Widerstands im Lexikon auch mit "sich widersetzen" erklärt wird. Wie auch immer: Die "Freiheitsaktion Bayern" sei eine widerständige Aktion gewesen, kein Aufstand, hieß es von der einen Seite im Gremium. Den Standpunkt wollten die anderen jedoch nicht verstehen.

Warum, so die Gegenrede, soll ein Aufstand keine Aktion gewesen sein? Es ging hin und her, bis ein Kompromiss vorlag: "Würdigung der Widerstandsaktion der Freiheitsaktion Bayern" soll auf dem Schild stehen. Der Literaturprofessor im Gremium gab zwar zu erkennen, den Stil des Satzes nicht ausstehen zu können - auf eine Änderung bestand er aber nicht.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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