Mitten in Schwabing:Oasen im Großstadt-Lärm

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Es gibt sie noch, die Pausenorte. Man muss sie nur finden.

Von Nicole Graner

Fast ein bisschen wie bei Verhüllungskünstler Christo sehen die Fassaden des Oskar-von-Miller-Gymnasiums an der Karl-Theodor- und Siegfriedstraße aus: Weiße lange Bahnen sind über die Mauern gespannt und wölben sich ein wenig, wenn der Wind unter die Verkleidung fährt. Im Innenhof klaffen zwei riesige Löcher im Boden, ein mächtiger Kran nimmt den Platz ein, an dem sonst die Schüler vom Max-Gymnasium und dem "Oskar" in der Pause zusammenstehen - oder sich im Winter auch legendäre Schneeballschlachten liefern. Blaue Container werden hin und hergewuchtet, Lastwagen fahren sie weg oder bringen neue. Die Sanierung beider Schulen ist im vollen Gange. Laut ist es. Kompressoren laufen.

Nur ein paar Schritte weiter scheinen ein paar Mittagspausler das Essen im kleinen Portugal-Brasilien-Bistro trotzdem zu genießen. Sie schalten wohl einfach den Lärm aus, weil sie im Geiste an die Algarve verreisen oder an Brasiliens Strände. Ein Pausenort - mitten im Trubel, mitten im Lärm. Und es gibt noch einen weiteren, einfach die Siegfriedstraße hinunter stadteinwärts. Da an der Ecke zur Clemensstraße hat jemand eine kleine hölzerne Rundbank um ein Bäumchen gebaut, ein paar bunte Glühbirnen aufgehängt und liebevoll ein eingezäuntes Mini-Gärtlein mit blühenden Pflanzen angelegt. Sogar ein Rosenbusch blüht. Ganz in weiß. Eine Frau sitzt auf der Bank und genießt die Auszeit. Luncht und schließt immer wieder kurz die Augen.

Wer wohl diese kleine Oase geschaffen hat? Wer wohl Ort und Pflanzen pflegt? Und was sie oder ihn wohl angetrieben hat, diesen Platz für andere so zu verschönern? Die bunte Wimpelkette, die an den Bäumen über die Bank gespannt ist, ist vielleicht eine Spur. Denn die Schnur weist den Weg zu einem Fenster. Dort ist das Ende wohl fest gemacht. Das Fenster mit Blumen und einem Lampion ist geöffnet. Aber leider niemand zu sehen. Sonst hätte man dem "Erbauer" des kleinen Pausenorts ein "Danke" zugerufen.

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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