Mitten in Schwabing:In der Nacht sind alle Tannen grau

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Im Herbst verrät man guten Freunden die besten Plätze fürs Schwammerlsuchen. Nach dem Dreikönigstag sagt man den Nachbarn, wo sie zu später Stunde ihren Christbaum entsorgen können

Von Nicole Graner

Nachts, wenn es dunkel ist, sind bekanntermaßen alle Katzen grau. Da lassen sich ganz viele Dinge herrlich unbemerkt tun. Zum Beispiel einmal Gassi gehen. Ohne dass Nachbarn am Fenster stehen und genauestens zusehen, ob man auch brav den roten oder blauen Hundebeutel zückt, um die Hinterlassenschaften des Vierbeiners einzutüten. Was man - wie immer - selbstverständlich auch des Nachts tut. Aber eben unbeobachtet. Oder Gartenabfälle auf einen Blätterhaufen werfen, der wie von Geisterhand an einem bestimmten Platz des Viertels immer größer wird und irgendwann dann von der Stadt entsorgt wird. Mit Gartensäcken voller Strauchschnitt durch die Straßen zu schlurfen - auch das ist nachts viel angenehmer.

In diesen Tagen nun ist es im Dunklen das im Viertel von der Stadt still geduldete Entsorgen von Christbäumen. Und da kann es durchaus passieren, dass man an einem Abend dann vielen Nachbarn begegnet, die alle nur die eine Frage eint: Auf welchen Platz lege ich jetzt bloß das nadelnde Gestrüpp ohne Lametta?

So trifft der Gassi-Geher zunächst die Nachbarsfamilie. Der älteste Sohn trägt, leicht griesgrämig, die entschmückte Tanne. Mama, Papa und Bruder begleiten den Träger. "Weißt du, wo der nächste Platz zum Ablegen ist?" - "Nee, nicht genau. Aber letztes Jahr war er dahinten." Die Familie marschiert in die Richtung. Auf dem Rückweg vom Gassigehen: Am Straßenende sieht man eine Tannenspitze um die Ecke verschwinden - der Nächste ist unterwegs. Und plötzlich geht eine Haustür auf. Ein Pärchen kommt heraus. Unter den Arm gepackt - na klar: den Christbaum. "Zum Ablegen geht es da lang!" - "Aha, Dankeschön. Genau das wollten wir gerade auch fragen ..."

Am nächsten Tag ist der Erfolg der Christbaum-Spaziergänge durchaus sichtbar. An drei Plätzen liegen nun die kargen Bäumchen aufeinander gestapelt. Dort, wo einen Tag zuvor nichts gelegen hatte. Ja, in der Nacht ...

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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