Mitten in Schwabing:Gut gebaut

Lesezeit: 1 min

Lange Beine, wohl geformeter Po, schöner Busen: Werbedesigner zeigen Frauen auf ihren Plakaten gern als sexy Objekt, auch auf einem Transparent an einem Beton-Silo auf der Baustelles des neuen Stadtquatiers "Schwabinger Tor" ist das so. Das entspricht jedoch nicht jedermanns Schönheitsideal.

Von Nicole Graner

Gut gewachsen ist ein Baum mit mächtigem Stamm. Gut gebaut ist ein Haus mit starkem Fundament und perfekt isolierten Wänden. Und ja, gut gebaut sind nach klaren Stereotypen auch Männer mit breiten Schulten und knackigen Hintern. Ach, fast hätte man es vergessen, auch mit durchtrainiertem Sixpack natürlich. Und erst die Frauen. Ewig lange Beine, wohl geformtes Hinterteil und ein schöner Busen.

Nun: So ein "Idealbild" von Frau, das die Gesellschaft zeichnet und in der das "Frau-Sein" auf Nacktheit und eine fast ausschließlich schönbusige Werbeform reduziert wird, ist derzeit auf einem gar nicht so sexy Objekt zu sehen: auf einem gelben Beton-Silo der Großbaustelle "Schwabinger Tor" an der Leopoldstraße. Eine lächelnde Frau lehnt - natürlich - lasziv an einer Wand. Ein Bein angewinkelt, den wohl gerundeten Po an die Wand gedrückt. In schwarzen, kurzen Shorts. Das eng anliegende, ebenfalls schwarze Oberteil soll als ein weiterer Beweis dienen, dass die hübsche Blondine mit wallendem Haar in die Rubrik "Gut gebaut" passt und zum gleichlautenden Wahlspruch auf dem Silo.

So eine Hübsche müsste, glaubt man den Werbedesignern, doch mal einen Blick wert sein. Aber die meisten Männer huschen an der schönen Lady vorbei, sitzen im Auto, auf dem Fahrrad. Doch halt. Ein Mann auf der anderen Straßenseite bleibt stehen. Hebt seinen Regenschirm ein Stück weit nach oben, blickt auf den Silo. Und auf die Frau. "Mhmm", meint er. "Nein, nein. Nicht mein Typ." Viel zu schlank sei sie, viel zu wenig Busen. "Ich steh' eher auf dunkelhaarige, fülligere."

Damit mag mal wieder bewiesen sein, dass Schönheitsideale ganz subjektiv sind. Und die Vorstellungen von "gut gebaut" ganz andere. Zwei Fragen bleiben: Warum dann überhaupt mit einer schönbusigen Frau werben? Wenn zum Beispiel eine holländische Studie aus dem Jahr 2009 besagt, dass Männer beim Anblick einer schönen Frau gar nicht mehr klar denken können. Und - ja, das ist ein Klischee - warum ziert nicht mal ein hübscher Mann so ein Silo?

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: