Mitten in Schwabing:Eine Botschaft für den Liebsten

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Das wäre doch was: Man steigt auf ein Baugerüst und sprüht von ganz oben eine Liebeserklärung an die Wand. Wer nicht schwindelfrei ist, kann es aber auch einfach sagen: Ich liebe Dich

Von Nicole Graner

Der Bagger hat sich schon ordentlich durch Sand und Schutt gefressen. Und er hat auch schon längst die alten Wände abgetragen. Doch noch sind die Spuren zu sehen, die das alte Haus hinterlassen hat. Das Haus an der Leopoldstraße 218 ist weg, aber an den Wänden des Nachbargebäudes kann man ablesen, wie wohl der eine oder andere gelebt haben mag. Tapetenreste hängen da herab. Und im oberen Stockwerk, vermutlich im einstigen Bad, hat der Mieter eine Insellandschaft hingemalt. Im Erdgeschoss liebte es der Bewohner wohl eher schlicht, nüchtern und weiß, während im ersten Stock klar die Pastelltöne vorherrschten - mit einer roten Wand. Wenn diese Wände nur Geschichten erzählen könnten.

Eine allerdings tut es. Da steht - wie auch immer der Maler mit Sprühdosen wohl in diese Höhe gekommen sein mag - "Babe ich liebe Dich!". Auf das Komma hat der Schreiber verzichtet. Musste wohl schnell gehen. Dafür hat er das Ausrufezeichen zu einem Herz gestaltet. Und er hat noch eine Botschaft hinterlassen, die der Betrachter aber erst kurz entschlüsseln muss, da Buchstaben fehlen. Vermutlich muss es heißen: "Life is a present." Und da hat der Schreiber ja wohl ausgesprochen recht.

Ein Radfahrer, der von der Leopoldstraße stadtauswärts kommt, bleibt plötzlich stehen. Auch er hat die Liebesbotschaft an der Hauswand der ehemaligen 218 entdeckt. Er steigt ab, lächelt und sagt: "Des is scho nett, oder?" Und er hält kurz inne, so als ob irgendeine schöne Erinnerung durch seine Gedanken huscht. "Wer mog so was ned? Den möcht ich sehn!" Er freut sich und radelt weiter. Vermutlich mit ein paar schönen Gedanken daran, dass auch ihm schon Liebesbriefe zugesteckt worden sind.

Wie lange der Brief an der Wand Menschen erfreuen mag? Es ist eine Frage der Zeit. Bis neue Wände die alten ersetzen, neue Farben aufgetragen werden. Aber die Botschaft ist angekommen. Warum nicht mal wieder dem Liebsten eine Botschaft hinterlassen? Schöne Idee.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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