Mitten in Freimann:Philosophen am Primel-Regal

Lesezeit: 1 min

In diesen Tagen ist die Schnittstelle zwischen Winter und Frühling die Gartenabteilung des Baumarkts - und Schauplatz eines alljährlichen Rituals: Die Frauen sehen die Blumen, sortieren Blütenstände, rufen aus: "Wie schön!" Und die Männer? Ergeben sich in ihre Schicksal.

Kolumne von Nicole Graner

Ach, es ist einfach nur schön. Diese Farben! Diese Blütenpracht! Mitten im Grau. Und in diesen Tagen an der Schnittstelle vom Winter zum Frühling. Vor einem Baumarkt stehen sie in Regalwagen, die eher der Farbpalette eines Malers gleichen: Primeln, Narzissen, Stiefmütterchen und nochmals Primeln. Ja, endlich. Vom Eise befreit scheint die Stadt. Eigentlich hätte man an diesem ersten Tag mit wärmender Sonne nur vor dem Eingang stehen bleiben müssen, um ein stets wiederkehrendes und auffälliges Ritual beobachten zu können.

Die Frauen: Sehen die Blumen, ihre Mundwinkel ziehen sich nach oben, das Gesicht wird ein strahlendes und dann bei allen ein fast gleich klingender Laut: "Ohhh!" Oder: "Wie schön!" "Da könnte man doch..." Ohne sich weiter umzublicken, gar den Partner mit in die Entzückung einzubeziehen, halten die meisten - wie magisch von Rot, Gelb, Pink und Lila angezogen - schon das ersten Töpfchen in der Hand. Farben werden sortiert, Blütenstände geprüft. Und die Männer? Eigentlich wollten sie, als sie das Frühlingsboten-Virus bei ihren Frauen bemerkten, nur sagen: "Nein, Schatz, jetzt keine Blumen, bitte, bitte!" Die Blicke sind flehentlich, doch dann ergeben sie sich kopfschüttelnd in ihr Schicksal. Gut so. Hat eh keinen Sinn.

Und so bilden sich zwei Gemeinschaften: die primelige weibliche. Und die ratschende männliche. Denn die Männer haben sich zusammengetan und erzählen aus ihrem Leben. "Du", sagt der eine in tiefstem Bairisch. "Ich sage es Dir, vor zwei Tagen haben's mich g'spritzt." "Auweia", sagt der andere. "Die haben mich g'spritzt, weil ohne hätte es mich irgendwann einmal zammg'haut." "Ja, da hast Glück g'habt". "Aber Du, da hab ich scho g'schaut. 300 Euro hat die Spritz'n kostet", sagt der Behandelte. "Ja", wieder der andere, "des is scho heftig, aber sonst hätte es Dich ja zammg'haut . . ." Und so weiter und so weiter. Ein dritter Mann hat sich noch eingeschaltet und gemeint: Für die 300 Euro könnte seine Frau ja locker das ganze Primel-Regal kaufen. Wahrscheinlich hat er recht, und wahrscheinlich hat sie es auch getan!

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: