Messestadt Riem:Weiß mit Schmuckfarbe

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Es könnte auch farbiger gehen: Wie, das zeigt der Künstler Michael Lapper derzeit in seinem eigenen Treppenhaus, das er für Besucher öffnet. (Foto: Robert Haas)

Mit einer Ausstellung im eigenen Treppenhaus kritisiert Michael Lapper die Messestadt-Architektur

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Wenn Michael Lapper "Klötzchensiedlung" sagt, schwingt eine gehörige Dosis Architekturkritik mit. Der 58-jährige Künstler und Kunstpädagoge lebt in der Messestadt, engagiert sich in der Messestadt und macht sie auch immer wieder zum Thema seiner Ausstellungen, Aktionen und Installationen. Manche nennen ihn daher den "Messestadt-Künstler" - was ihm aber nicht sehr gefällt, schließlich realisiere er auch andere Projekte an anderen Orten, etwa Kunst am Bau im neuen Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Und es arbeiteten auch andere kreativ in der Siedlung, die 2019 schon 20 Jahre alt wird.

Michael Lapper, der mit seiner Familie in einem von einer Baugemeinschaft errichteten Flachbau wohnt, sagt überzeugend von sich, dass er gerne in der Messestadt lebe, sich hier nach zahlreichen Umzügen in und um München "zum ersten Mal richtig zuhause" fühle. Vorgartenidylle und Sprossenfenster seien nicht so sein Ding. In der Messestadt sei auch vieles gut gelungen, eine gewisse "Klötzchenallergie" stelle er aber schon bei sich fest, vor allem, wenn er attraktivere Neubauviertel sehe, in Berlin etwa oder Kopenhagen.

Und das könne auch an der Farbe liegen. Vor mehr als 20 Jahren wollten die städtischen Planer in der Kommission für Stadtgestaltung alles richtig machen und versuchten, dem Viertel mit fast dogmatischen Gestaltungsvorschriften ein einheitliches Gesicht zu geben. Weiß sollte der Fassaden-Grundton sein. "Weiß mit Schmuckfarbe", fasst Lapper zusammen. Nun fände er auch nicht gut, wenn einer mit dem großen Pinsel käme und das eine Klötzchen blau, das andere rosa färbte. Aber ein wenig mehr Mut zur Abwechslung hätte er sich gewünscht. Die vorhandenen Bauten legten die Vermutung nahe, "dass die Kommission den Bauträgern mehr Fantasie zutraute, als sie beim Bauen letztlich entwickelten", sagt Lapper ironisch. So könne "Weiß mit Schmuckfarbe" schon mal "ein graues Weiß mit einem hellen Grau" sein oder allenfalls ein beherztes Graugrünbeige. Was zusammen mit "ausgeprägter Blockarchitektur" nicht selten zu einer wenig überraschenden visuellen Gleichförmigkeit führe.

Um hier zu sensibilisieren, hat Lapper seine jüngste Ausstellung "Weiß mit Schmuckfarbe" genannt. Lapper, der neben seinen Ausbildungen zum Schriftenmaler und Gestalter im Handwerk auch eine zum Kunstglaser absolvierte, hat schon früher, etwa in der Sophienkirche in der Messestadt, mit lang gezogenen, flachen Glaselementen gearbeitet. "Dichro-Grafics" nennt der Künstler diese grafischen Collagen aus einem beschichteten, sehr lichtempfindlichen dichroitischen Glas, das je nach Blickwinkel und Lichteinfall wie auf magische Weise seine Farbe verändert. Glas alleine aber sehe "schnell nach Parfümerie aus", meint er. Hier hat er nun diesen Werkstoff kombiniert mit Materialien, die sich auf jeder Baustelle finden. Mit offenen Augen und einem Radlanhänger ist er durch die Messestadt gezogen, hat Schätze entdeckt wie fliederfarbene Dämmplatten, Rasengitter, eloxiertes Aluminium, Hartfasertafeln, schwarze Bautenschutzmatten, Netzbänder für Trockenbau. In seinem Atelier beim Kloster Schäftlarn hat er sie "wie Mortadella" in feinste Scheiben zersägt, hat sie geschliffen, poliert, mit Glas kombiniert. Sein Ziel: Die wie kleine Fassaden-Architekturen wirkenden Grafiken sollen erahnen lassen, "dass es auch farbiger und lebendiger gehen könnte".

Gefunden hat er bei seinen Streifzügen auch gelbe Arbeitshandschuhe, die er slapstickartig unter einen Dämmstoffblock geklemmt hat. Für ihn deuten sie an, "dass das ganze verbaute Plastikzeug eines Tages wieder grausam auf uns zurückfallen könnte".

Diese witzige Installation am Rande blitzt unter dem Treppenabsatz hervor, denn die kleine, feine Ausstellung "Weiß mit Schmuckfarbe" hat Lapper - wieder einmal - im eigenen Treppenhaus an der Selma-Lagerlöf-Straße gehängt - was dank eines toleranten Nachbarn möglich ist. Es gebe jenseits der Kulturetage mit ihrer beengten Galerie im Flur so wenige Spielräume für die Kunst im Viertel, da müsse man einfach jede Nische nutzen, sagt Lapper: "auch das eigene Treppenhaus." Und es eignet sich sogar famos, denn um den Glas-Effekt zu sehen, kann man nicht nur vor- und zurücktreten, sondern auch rauf und wieder runter. Und: Die Objekte brauchen auch das Weiß der hohen Wand, damit sie wirken, weiß Lapper.

Weiß mit Schmuckfarbe, Treppenhaus an der Selma-Lagerlöf-Straße 40 (im Hof), bis 21. Dezember geöffnet Samstag und Sonntag von 15 bis 20 Uhr oder nach Vereinbarung mit dem Künstler unter der Telefonnummer 0157/76 34 00 58 oder michael-lapper@t-online.de.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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