Messestadt Riem:Kunstwerk Natur

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Taciana Ottowitz, promovierte Agrarökonomin, macht das Malen zum Beruf. Ihr Motiv: Pflanzen und Tiere, lebensgetreu

Von Renate Winkler-Schlang, Messestadt Riem

Ein buntes Leben: Taciana Ottowitz ist in England geboren und in Brasilien aufgewachsen, sie hat Volkswirtschaftslehre studiert und in Agrarökonomie promoviert. Dann begann sie, Tiere und Pflanzen zu zeichnen und promovierte nebenbei, ohne Studium, in Kunstgeschichte - über das Illustrieren von Kinderbüchern. Doch die zierliche Künstlerin mit der ruhigen Stimme und dem freundlichen Lächeln findet es eher befremdlich, wenn man sie fragt nach dieser interessanten Vergangenheit, diesem besonderen Werdegang. "Jetzt": Nur das sei wichtig, alles andere liege weit zurück. Es helfe ja auch nicht, "wenn man in Paralleluniversen denkt". Wer, wie sie, nicht mehr ganz jung sei, habe halt schon einiges gemacht und einiges zurückgelassen. Ihr Alter will sie nicht in der Zeitung lesen, obwohl man es sich aus der Kurzbiografie im Ausstellungsflyer ausrechnen kann. So viel aber steht fest: Sie wirkt viel jünger, als sie ist. Zurückhaltend, nicht schüchtern, eher fokussiert aufs Wesentliche. Wozu viele Worte machen?

Der genaue Blick fürs Detail: Auf diese Weise schafft Taciana Ottowitz ihre Bild-Welten (Foto: Taciana Ottowitz / oh)

Taciana Ottowitz hat auch nicht wie andere Künstler eine schlüssige, geschliffene Erklärung parat, warum alles schließlich so hatte kommen müssen. Sie lächelt. Sie habe auch als junger Mensch schon gemalt, ein bisschen. Dass die Wende weg von der Ökonomie und hin zur Kunst stattfand, nachdem sie ihre Kinder geboren hatte? Den Gedanken an einen möglichen Zusammenhang will sie im Keim ersticken: Keiner soll auf die Idee kommen, die Kunst sei für sie eine Art Hausfrauenhobby: "Es ist ernst. Es ist jetzt mein Beruf."

Taciana Ottowitz macht das Malen zum Beruf. (Foto: Florian Peljak)

Irgendwann habe sie einfach gewusst: "Ich will malen." Als Wissenschaftlerin näherte sie sich ihrem Wunschgebiet über das Studium früherer Kunstrichtungen, gleichzeitig probierte sie einige Techniken aus. Bis sie als Gaststudentin an der Akademie in München bei der damaligen Dozentin Barbara Rubel die Faszination lebensgetreuer Tier- und Pflanzenzeichnungen kennenlernte und wusste: "Genau mein Weg." Dankbar sagt sie: "Ich habe alles von ihr gelernt." Jetzt ist sie mit ihrer ehemaligen Lehrerin auf Augenhöhe in einer Gruppe, die wöchentlich in der Zoologischen Staatssammlung Tiere zeichnet.

Zwischen Cashew und Clusia - Motive von Ottowitz. (Foto: Taciana Ottowitz / oh)

Und da kommt sie ins Schwärmen, die wortkarge Frau: Etwas Handfestes, geradezu Handwerkliches habe diese Kunstrichtung. "Ich messe ganz genau, ich zeichne ganz genau. Ich weiß, was rauskommt. Das ist befreiend." Sie denkt nach: "Es gibt immer Motive, man kann alles in der Natur finden, eine schöne Blume oder ein vermeintlich hässliches, trockenes Blatt." "Genau beobachten, sehen lernen, das Auge schulen, konzentriert dabei sein, dran bleiben", ist ihr wichtig. Manches florale Motiv verlange nach Aquarell-, Tiere eher nach Gouache-Farben. "Auch mit Bleistift kann man wunderschön differenzieren, es gibt ja so viele Stärken, 8B ist am dunkelsten." Jetzt ist sie in ihrem Element: Sie liebe es, wenn ein Bild einfach zeigt, was es soll, "wenn ich nicht daneben stehen muss und eine Viertelstunde lang erklären, was ich mir dabei gedacht habe und welche Botschaft ich transportieren wollte". Selbsterklärend seien Bilder, selbständig. Das war nötig, als es keine Fotografie gab, als Forscher Eindrücke von weiten Reisen mitbrachten. Vor allem in England hat dieser Stil eine lange Tradition.

Genau hinschauen, akribisch zeichnen: So entstehen die Bilder mit exotischer Blumenpracht. (Foto: Taciana Ottowitz / oh)

Taciana Ottowitz malt eins zu eins. Der Schmetterling auf dem Bild hat dieselbe Dimension wie ihr Modell-Schmetterling. "Ich male einfach keine Elefanten", lacht sie: "Da bräuchte ich ja Jahre." Sie macht sich Vorzeichnungen, überträgt die dann auf ihr dickes Zeichenpapier: "Fabriano 600, das wellt sich nicht. Die Qualität ist sehr wichtig." Mit Roibuschtee erreicht sie die leicht braune Patina. Und dann braucht sie Geduld: Bei Tieren fängt sie mit den Augen an. Hat sie ein Präparat als Modell, setzt sie alles daran, dass das Wesen auf ihrem Zeichenblatt dennoch nicht "tot" wirkt. Bis das weiche Fell eines Hasen dann fast so echt erscheint, dass man es streicheln möchte, bis jedes einzelne Härchen sitzt, vergehen durchaus zwei, drei Wochen. Malt sie eine Blume, muss sie unter Umständen schon mal ausrücken und eine neue kaufen, weil die erste ihr weg-welkt.

Taciana Ottowitz bevorzugt bunte Motive. (Foto: Taciana Ottowitz / oh)

Derzeit sind ihre Werke in der Kultur-Etage der Messestadt zu sehen. Die Barthaare des Australischen Kurzkopfgleitbeutlers sind hauchfein, die Federn des Wellensittichs gestochen scharf, lebensecht. Sie kombiniert Tiere und Pflanzen, achtet aber darauf, ihre Bilder nicht zu überfrachten, manchmal ergänzt sie deshalb Farbiges nur mit Bleistift-Partien: "Weniger ist mehr", sagt Taciana Ottowitz. Auch ihre Signatur und die mit dünnem Stift hingeschriebenen, lateinischen Bezeichnungen sind zurückhaltend, ebenso ihre Rahmen. Ihre Kunden schätzen das, es sind Bilder, die überall hinpassen und eine schöne Stimmung machen, sich nirgends schreiend in den Vordergrund drängen. Wer genau hinschaut, entdeckt dennoch viel, zum Beispiel merkt man bei dem zarten Meeresgetier besonders deutlich, dass das Licht seltsamerweise von rechts kommt. Kein Wunder: Taciana Ottowitz ist Linkshänderin.

Die Ausstellung in der Kultur-Etage, Erika-Cremer-Straße 8, hat in den Osterfreien nur begrenzte Öffnungszeiten, und zwar von Dienstag 18., bis Freitag, 21. April, jeweils von 8.30 bis 12 und 13 bis 16 Uhr. Nach den Ferien ist sie noch zu sehen bis 28. April, Montag bis Freitag 9 bis 12, 13 bis 16 und 18 bis 21 Uhr, Dienstag und Donnerstag auch 16 bis 18 Uhr. Der Zeichenkurs für Erwachsene mit Vorkenntnissen, den Ottowitz angeboten hatte, kam wegen zu geringer Teilnehmerzahl nicht zustande.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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