Messestadt Riem:Kalte Dusche für die Mieter

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Die Helsinkistraße im Wohngebiet Messestadt Riem: Niemand kümmert sich um die Beschwerden der Anwohner. (Foto: Claus Schunk)

Kein warmes Wasser, verdreckte Wege, herumliegende Kabel: Bewohner der Messestadt Riem klagen über unhaltbare Zustände in ihren Häusern. Doch niemand scheint sich wirklich zuständig zu fühlen.

Von Renate Winkler-Schlang

Sie duschen seit Monaten kalt. Sie ärgern sich über verdreckte Müllräume und noch mehr über vernachlässigte Reparaturen. An einem Spielplatz liegen die Kabel umgetretener Lampen offen. Und sie haben das Gefühl, dass alle ihre Beschwerden ins Leere laufen. Mieter der Wohnanlage an der Helsinkistraße 21, 23 und 25 gehen auf die Barrikaden. Sie wenden sich an die Presse, holen Politiker herbei, unter ihnen am vergangenen Wochenende der CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume.

Der geballte Unmut gilt der Gewofag. Die städtische Wohnungsgesellschaft verwaltet die Anlage. Auch die Mieterin eines Getränkemarktes an der Mutter-Theresa-Straße hat Ärger mit der Gewofag: Diese schickte eine horrende Heizungsabrechnung, obwohl die Heizkörper immer aus bleiben. Das Bier soll schließlich kalt verkauft werden.

Immer wieder die Gewofag: Erst hatten Mieter an der Georg-Kerschensteiner-Straße zwei Jahre lang nur lauwarmes Wasser; das Problem wurde erst nach Zeitungsberichten behoben. Dann machte CSU-Stadtrat Marian Offman in einer Anlage an der Willy-Brandt-Allee "Verslumungstendenzen" aus.

Zweiklassensystem bei der Gewofag

Die Bezirksausschuss-Vorsitzende Stephanie Hentschel (Freie Wähler) hat sich inzwischen selbst ein Bild gemacht und ist sicher: "Die Gewofag muss um ihren guten Ruf fürchten." Hentschel glaubt, es gebe "ein Zweiklassensystem bei der Gewofag". Denn aus Wohnblöcken, die der Gewofag selbst gehören, vernehme sie keine Klagen. Gewofag-Sprecher Peter Scheifele erklärt, seine Gesellschaft selbst unterhalte sogar eigens Bewohnertreffs, die viele Beschwerden auffingen. Bei den im Auftrag verwalteten Anlagen sei der Service dagegen Sache des Eigentümers und damit auch eine Frage dessen, was dieser an Gewinn erwirtschaften wolle. Wer die Eigentümer sind, das will Scheifele aus Gründen das Datenschutzes nicht verraten.

Nicht einmal die Bewohner wissen, wer ihr Vermieter ist, wie Jörg Hoppe beklagt. Er findet im Mietvertrag und auf Abrechnungen verschiedene Namen, etwa eine Firma namens "BERF II" mit Berliner Adresse und Hamburger Telefonnummer. Unter dieser meldet sich ein Trust, wo man aber nur eine Telefonnummer in Frankfurt erhält, unter der niemand abnimmt.

Ähnlich die Lage an der Georg-Kerschensteiner-Straße. Die Mieter glauben, dass ihre Häuser dem bekannten Unternehmensberater Roland Berger gehören. Doch laut Herbert Stark von der Baufirma IBS, die die Wohnungen errichtet hat, ist Berger bei der Eigentümerin, der MMM Wohnen GmbH & Co KG, lediglich Kommanditist. Eine Nummer dieser Firma an der Mies-van-der-Rohe-Straße lässt sich finden. Dort aber erklärt ein genervter Mitarbeiter, er habe nichts mit der Anlage zu tun. Eine weitere Adresse an der Maximilianstraße 13 erweist sich ebenfalls als Sackgasse.

Die Mieter fühlen sich abgewimmelt

Die Anlage an der Willy-Brandt-Allee soll schließlich einer "BERF III" gehören. Angesichts des Durcheinanders ist für Hentschel klar: "Grundsätzlich wird hier auch die Renditesucht im Immobilienmarkt sichtbar." Für viele Mieter bedeutet die Unklarheit unterdessen, dass ihnen nur die Gewofag für ihre Beschwerden bleibt. Doch auch die ist für die Mieter schwer zu greifen. So gibt es eine Gewofag Dienstleistungs GmbH - eine hundertprozentige Tochter - und ein Gewofag Mieterzentrum.

Wo auch immer die Mieter mit ihren Anrufen landen, sie fühlen sich abgewimmelt. "Die denken, mit uns können sie es machen, weil wir Sozialmieter sind", reden sich Ruza Kelava und Hanane Abdellaoui in Rage. Am Telefon haben die beiden Frauen erfahren, dass sie sich schriftlich beschweren sollen. Manuela Peci, die im Februar die Unterschriften fast aller Mieter unter eine lange schriftliche Mängelliste bekommen und diese per Einschreiben mit Rückschein abgeschickt hatte, wartet immer noch auf eine Eingangsbestätigung. Auch Selda Erlener, die nach anwaltlicher Beratung seit zwei Monaten die Miete mindert, vermisst eine Reaktion. In Schaukästen, erzählt Robert Pana, hingen falsche Hausmeister-Telefonnummern.

Jutta Kumar, die Inhaberin des Getränkemarktes am anderen Ende der Messestadt, ist wegen der Unstimmigkeiten mit der Heizungsabrechnung von der Gewofag immer weiterverwiesen worden - an einen Hausmeisterdienst und einen "Wärmedienstleister". Dessen Mitarbeiter sagten ihr, sie hätten keinen Auftrag - und könnten daher nicht handeln. In dem Schreiben der Gewofag-Dienstleistung an Kumar steht: "Von weiteren Sachstandsfragen bitten wir bis dahin Abstand zu nehmen." Darum hat sie eine Anwältin eingeschaltet.

Gewofag-Sprecher Scheifele versichert, man kümmere sich um all das. Es habe intern einigen Personalwechsel gegeben, aber sein Haus sei bemüht, alles zu lösen. Das Wasser an der Helsinkistraße sei wieder warm. "Stimmt nicht", widerspricht Bewohner Hoppe. Scheifele erklärt weiter, mit dem neuen Hausmeisterdienst habe es anfangs Missverständnisse gegeben. Dieser habe nicht gewusst, dass er auch die Laubengänge zu räumen habe. Auch Sperrmüll finde sich immer wieder in den Müllräumen, bestätigt Scheifele. Schuld daran seien jedoch Mieter, die ihre Mitbewohner ärgerten. Die Gewofag werde den Abhol-Turnus erhöhen, verspricht Scheifele.

Zweite Wohnanlage ohne warmes Wasser

Dass das Warmwasser nun schon in der zweiten Wohnanlage ausblieb, hat laut Scheifele mit Temperaturdifferenzbegrenzern zu tun, welche die Stadtwerke ohne Wissen der Verwaltung hätten einbauen lassen, um eine optimale Ausnutzung der Geothermie zu erreichen. Beide Systeme seien nicht kompatibel gewesen. Sobald auf Hausseite zusätzliche Plattenwärmetauscher eingebaut werden, sei alles in Ordnung. Die Stadtwerke ihrerseits versichern, dass das Problem an der Haustechnik liegen müsse: "Unsere Anlagen funktionieren einwandfrei. Wir halten uns an die vereinbarten Lieferbedingungen."

Weitere Fragen etwa nach internen Gutachten will Sprecher Christian Miehling nicht beantworten: "Diese diskutieren wir direkt mit unseren Kunden und Partnern und äußern uns hierzu nicht gegenüber Dritten." So bleibt den betroffenen Mietern nur die Spekulation. Die BA-Vorsitzende Hentschel findet, es sei egal, wer technisch oder organisatorisch die Schuld trage: "Wichtig ist nur, dass Missstände behoben werden."

Am Ende fördern die Recherchen doch noch ein Ergebnis zutage, das für die Mieter von Bedeutung ist: Aus Berlin meldet sich eine Fondsgesellschaft, der die Mietshäuser in der Messestadt gehören. Diese teilt mit: "Eigentümer ist seit jeher eine Objektgesellschaft, die seit Gründung unter EOF München GmbH & Co. Wohnanlage Riem KG und seit 2011 unter BERF II GmbH & Co. KG firmiert." Und noch etwas teilt die Gesellschaft mit: Nach vermehrten Mieterbeschwerden habe man sich mit der Gewofag über die Qualität der erbrachten Dienstleistung auseinandergesetzt. Fazit: "Das Verwalterverhältnis ist zu Mitte 2013 beendet."

© SZ vom 08.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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