Meine Woche:Treffpunkt am Kloaken-Spiel

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Alexandra Ince (Foto: Jerzy Sobotta)

Alexandra Ince hilft Touristen in der Stadtinformation des Rathauses

Von Jerzy Sobotta

Wo geht's denn hier zur Piazza San Isidoro?" wollte neulich ein Italiener wissen, der in die Stadtinformation im Rathaus platzte. Alexandra Ince () stutzte kurz, obwohl sie München kennt wie ihre Dirndltasche. Seit mehr als 18 Jahren erklärt sie dort Urlaubern die Stadt. Aber von der Piazza San Isidoro hat sie bisher noch nicht gehört. Zum Glück spricht sie neben Spanisch und Englisch - ihr Vater ist Brite - auch Italienisch. So klärt sich nach einigen Rückfragen das Mysterium: Der gut gelaunte Mann sucht den Isartorplatz. Nicht das einzige Missverständnis, denn so mancher Amerikaner fragt nach dem "Kloaken Spiel", dem "Virtual Market" oder will ein Hotelzimmer für "zwei Nackte" reservieren. Ganz schön kompliziert die Kommunikation, trotz der vielen Sprachen, derer die Mitarbeiter hier mächtig sind.

Die Jünger Jesu hatten es da zum Glück einfacher. Denn die Galiläer sprachen 50 Tage nach der Auferstehung ihres Meisters plötzlich alle Sprachen dieser Welt. Das würde auch die Arbeit der 55-jährigen Ince leichter machen, wenngleich Aramäisch, Althebräisch und Punisch heute nicht mehr so üblich sind. Wild gestikulierend kam vergangene Woche ein Chinese in den Infopoint, der seine Reisegruppe verloren hatte. Chinesisch spricht leider noch kein Mitarbeiter. Und so mussten zwei junge Landsfrauen, die in der Schlange standen, beim Übersetzen helfen. Erst nach einer Stunde erreichte der panische Tourist seinen Fremdenführer auf dem Handy.

So viele Fremdsprachen zu sprechen, ist ein Segen. Die Jünger bekamen ihn sozusagen als Gründungskapital. Investiert haben sie es vorbildlich: Zu Pfingsten schufen sie die Kirche - eine der ältesten Institutionen der Welt. Das Sprachenwunder steht für die Entsendung des Heiligen Geistes. Weil es aber nur Auserkorenen zuteil wird, hat man eine Holztaube zum Symbol für ihn gemacht. Sie schwebt am kommenden Sonntag auch in einigen Kirchen über den Köpfen der Gläubigen. Besonders schön sei Pfingsten aber in der Jesuitenkirche St. Michael, findet Ince. Dort singt der Kirchenchor die Cäcilienmesse.

Chöre gibt es am Sonntag auch auf dem Marienplatz, wenn sich der FC Bayern zur Meisterfeier auf dem Rathausbalkon zeigt. Die klingen zwar nicht ganz so erhaben, aber dafür kann jeder mitsingen. Ince bleibt an diesem Tag daheim in Dießen am Ammersee. Sie hat frei, denn an den Fußballfans kommt ohnehin kein Tourist vorbei. Wer weder an Gott noch an den FC Bayern glaubt, der kann die Feiertage nutzen und eine Sprache lernen. Chinesisch kann ja manchmal ganz nützlich sein.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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