Maxvorstadt:Zu viel Gaudi zwischen Gräbern

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Auf dem Alten Nordfriedhof, bei Anwohnern als Park-Ersatz beliebt, patrouilliert nun ein Sicherheitsdienst - gegen "exzessive Nutzung", sagt die Stadt. Als erstes werden Kindergartengruppen vertrieben

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Die Kinder haben ein trauriges Gesicht auf den Brief an den Oberbürgermeister gemalt. Wo sie denn hin sollen, wo sie spielen sollen, fragen sie Dieter Reiter (SPD) in nicht ganz korrekter Orthografie. Monika Hepp-Hoppenthaler hält den Brief in der Hand und sagt empört: "Es ist eine Frechheit, dass Kinder nicht mehr auf dem Friedhof spielen dürfen."

Die Leiterin des Schülerhorts "Schatzinsel" an der Neureutherstraße ist eine von gut einem Dutzend Besuchern am Dienstag in der Bezirksausschusssitzung, allesamt sind sie wütend auf die städtische Friedhofsverwaltung. Die lässt seit Mitte April einen privaten Sicherheitsdienst am Alten Nordfriedhof in den Nachmittags- und Abendstunden patrouillieren - es ist die Konsequenz aus Beschwerden über exzessive Freizeitnutzung auf diesem 4,7 Hektar großen Areal. Doch wie die Berichte der Anwohner nahelegen, führen die Mitarbeiter der Firma ein straffes Regiment - spielende Kinder zwischen den Gräbern werden offenbar nicht mehr toleriert.

Zwei Mal, so erzählt es die Leiterin der Elterninitiative "Springball" an der Arcisstraße, hätten die Mitarbeiter die Polizei gerufen, weil Kinder zwischen den Grabsteinen herumliefen. Die Kinder hätten dann den Friedhof verlassen müssen. "Die Mitarbeiter der Firma haben gesagt, dass wir nun nicht mehr hineindürfen." Die Kinder hätten nun Angst und seien traurig. Wo, so fragt sie, sollten sie denn hin: "Es ist die einzige Grünfläche, die wir haben."

Eine grüne Insel im Häusermeer: Der Alte Nordfriedhof wird gerne zum Lesen, Spielen, Sporteln und Picknicken angesteuert. (Foto: Lukas Barth)

Der Alte Nordfriedhof ist eine kleine grüne Insel in einem Häusermeer. Grünflächen gibt es in diesem dicht bebauten Stadtbezirk nur um die Pinakotheken herum, im Alten Botanischen Garten, im kleinen Maßmannpark - und im Alten Nordfriedhof. Entsprechend heiß geliebt und stark genutzt ist dieses Gräberfeld, welches zwischen 1866 und 1869 angelegt wurde. Bestattungen gibt es hier seit 1944 nicht mehr; einige der rund 850 Grabstellen sind bedeutende Denkmäler. Dessen ungeachtet entwickelte sich der Friedhof zur Freizeitoase, nicht nur für Kita-Kinder. Jogger traben auf den Wegen, Faulenzer spannen Hängematten, Sportler Slacklines zwischen Bäumen, mitunter treffen sich Zecher-Runden, von Grillern war schon zu hören. Das stößt einigen Anwohnern auf, auch der Bezirksausschuss prangerte wiederholt pietätloses Verhalten an.

Die Stadt hatte versucht, mit Informationsstelen und Broschüren zu angemessenem Betragen zu animieren. Doch das Ergebnis stellt die Verwaltung nicht zufrieden. "Wir haben uns zu diesem Schritt entschlossen, weil die Situation trotz intensiver Aufklärung eskaliert", sagt der stellvertretende Leiter der Städtischen Friedhöfe, Peter Lippert, in der BA-Sitzung. Mit dem Sicherheitsdienst soll die Würde des Friedhofs gewahrt werden. Er berichtet von Beschädigungen der Grabanlagen, etwa an einer Engelsstatue, der die Hände abgebrochen wurden. Feiernde hinterließen Unrat, auch Hausmüll und Speisereste werden gefunden. Überdies nennt Lippert es ein "Sicherheitsrisiko", wenn Kinder auf den Grab-Denkmälern herumkletterten.

Post für den Bürgermeister: "Wo sollen wir denn spielen?", fragen ihn die Kinder traurig. (Foto: Privat)

Die Politiker im Stadtviertel bewerten die Friedhofs-Wächter konträr. CSU und SPD neigen der städtischen Haltung zu, die Anlage vor Auswüchsen der Freizeitnutzung zu schützen. "Da liegen tote Menschen, und die Nachkommen leben noch", sagt SPD-Sprecherin Katharina Blepp. Die Grünen im Gremium werben für eine liberale Haltung auf dieser innerstädtischen Naturfläche. "Ich wäre froh, wenn ich da begraben wäre und die Kinder würden auf meinem Grab spielen", sagte Ruth Gehling (Grüne) unter dem Beifall der Besucher.

Allein, der Sicherheitsdienst wird bleiben, ein Jahr zunächst. Danach soll, wie Lippert betont, mit allen Beteiligten eingehend diskutiert werden, wie es weiter geht. Allerdings will die Stadt nicht tolerieren, wie die Firma mit Kindern und Betreuern umspringt. "Das geht nicht, da werden wir nachbessern", beteuert Lippert. Man werde mit der Firma sprechen und klarstellen, welches Verhalten die Mitarbeiter ahnden sollen. "Es ist uns daran gelegen, dass Kinder den Friedhof besuchen. Wir wollen ein gedeihliches Nebeneinander."

Die gleiche Firma ist auch am Alten Südlichen Friedhof im Einsatz. Die Resonanz bei den Anwohnern, der Friedhof werde kontrolliert, "war durchweg positiv", sagt ein Behördensprecher.

© SZ vom 09.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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