Maxvorstadt:Wurzeln schlagen

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Die Nachbarn sind geteilter Meinung über den Rudi-Hierl-Platz: Steril und leer sei er, sagen die einen. Die anderen sprechen von einem schönen Stadtplatz, der im Sommer sehr belebt sei. (Foto: Corinna Guthknecht)

Bis 2013 war der Rudi-Hierl-Platz ein namenloses, mit Autos zugeparktes Niemandsland. Danach bekam er Sitzbänke und einen Bücherschrank, doch jetzt werden im Viertel Stimmen laut, die mehr Aufenthaltsqualität fordern

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Wie Rudi Hierl wohl der Platz, der seinen Namen trägt, gefallen hätte? Der CSU-Politiker, 34 Jahre lang im Münchner Stadtrat, 2010 gestorben, hatte ein bescheidenes Wesen, große Reden lagen ihm fern. "Alles in Ordnung, niemand weiß Bescheid", hätte er vielleicht gesagt, ein Spruch, den der eher stille, dafür sozial ungemein Engagierte oft benutzte, vor allem, wenn er eine seiner ungezählten Kärtchen mit der aufgedruckten Bayern-Hymne verteilte. Gar nicht in Ordnung finden hingegen so manche Bürger und so einige Lokalpolitiker das Gefüge des Rudi-Hierl-Platzes, seit Jahren schon: Steril und kaum genutzt sei er. Andere im Gremium und im Viertel wiederum sehen das nicht so eng: Lass gut sein, könnte man deren Sicht auf den Platz des Hierl Rudi zusammenfassen.

Die einen sagen so, die anderen sagen so - jedoch haben sich im Bezirksausschuss Maxvorstadt jetzt jene durchgesetzt, die sagen: So, jetzt muss endlich etwas geschehen. Das Gremium hat mehrheitlich eine Initiative der Grünen beschlossen, die den Titel trägt: "Aufwertung des Rudi-Hierl-Platzes baldmöglichst durchführen". Konkret ergeht der Appell ans Baureferat, sich geeignete Maßnahmen zu überlegen - und Vorschläge dazu bei einem Bürgerbeteiligungsverfahren einzuholen.

Die Fläche, an deren Seiten im spitzen Winkel die Dachauer Straße und der Beginn der Schleißheimer Straße zusammenlaufen, war bis 2013 ein namenloses, mit Autos zugeparktes Niemandsland. Das Baureferat pflasterte auf der Ostseite einen großzügigen Gehweg, das übrige Dreieck-Segment mit sieben Bäumen wird von mäandernden Sitzsegmenten eingefasst, die eine freie Kiesfläche umranken.

Schon bald darauf war Kritik zu vernehmen, von Bürgern und von Politikern. 2016 missbilligte die CSU im BA und im Stadtrat in nahezu gleichlautenden Anträgen, dass der Platz "nicht gerade zum Verweilen anspornt", mithin also kaum angenommen werde, seine "Aufenthaltsqualität" gesteigert gehöre. Zwischenzeitlich wurde ein öffentlicher Bücherschrank in der Platzmitte aufgestellt. Doch der, so formulieren die Grünen in ihrem aktuellen Antrag, trage nicht dazu bei, dass Bürger sich länger aufhielten. "Der Platz wirkt zwischenzeitlich lieblos und ungepflegt."

Als Stimme der Anwohnerschaft tritt in der Sitzung eine Frau auf, die durchblicken lässt, dass sie und auch ihre Nachbarn das Platzgefüge für mäßig gelungen halten. Vorher sei der Platz grüner gewesen, zumal eine Hecke zur Dachauer Straße hin den Verkehr abgeschirmt habe. "Es gibt keinen Grund, den Platz so hässlich zu lassen."

Das bewerten manche Anwohner jedoch anders. "Ich finde es schön hier", sagt eine 35-jährige Frau an einem Vormittag, während sie ihren Hund auf dem Rudi-Hierl-Platz ausführt. Sie könne nichts Negatives sagen, an Sommerabenden säßen zudem abends allerhand Leute auf den Bänken, berichtet die Medizinische Assistentin. Das will hingegen eine Mitarbeiterin des indischen Lokals an der Nordseite des Platzes nicht bestätigen. "Nicht viel los" sei meistens, sagt die 41-Jährige. Der Platz sei freilich besser als zu der Zeit, als dies noch ein Parkplatz gewesen sei, wirke aber "irgendwie kalt und wenig anziehend". Ein 45-jähriger Musiker empfindet das ähnlich. Nach seiner Erfahrung halten sich auf dem Platz kaum Leute auf, was nach seiner Einschätzung an der umlaufenden Bank-Konstruktion liegen mag. "Die stehen eher im Weg und halten die Leute davon ab, den Platz zu nutzen", glaubt er.

Divergente Wahrnehmungen zum Charakter des Rudi-Hierl-Platzes herrschen auch im Bezirksausschuss. Leer sei der Platz, der Bücherschrank wenig genutzt, die Pflanzenkisten "lottern vor sich hin", sagt Ruth Gehling (Grüne). Die CSU-Fraktion nimmt hingegen den Bücherschrank in Schutz, dieser werde im Gegenteil sehr gut genutzt, wie ohnehin der Platz "eine gewisse Attraktivität" habe, sonst hätte man den Schrank da ja nicht hingestellt, sagt Günther Westner (CSU). Katharina Blepp (SPD) meldet sich mit kritischen Bemerkungen zur geäußerten Platz-Kritik zu Wort: "Es ist kein Dorfplatz, sondern ein im Sommer sehr schöner Stadtplatz. Man muss hier nicht so tun, als ob das ein Schandfleck ist." Die Empörung sei übertrieben. Das glaubt auch ein Informatiker, 35, der, auf einer Bank am Rudi-Hierl-Platz sitzend, nach einem Schluck aus dem Kaffeebecher seinen bescheidenen Anspruch formuliert: "Man kann natürlich alles aufwerten, und es gibt schönere Plätze. Aber das passt schon."

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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