Maxvorstadt:"Verknüpfung der geschichtlichen Stränge"

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Nach der Ablehnung der Pappel-Pläne entlang der Ludwigstraße durch die Stadtgestaltungs-Kommission befasst sich das Baureferat mit der Kritik. Es will aber weiterhin das Siegestor angemessen in Szene setzen

Interview von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Das Baureferat hat ein Konzept zur Umgestaltung des Siegestor-Umfelds vorgelegt, doch die "Platzoffensive Siegestor" fiel bei der Stadtgestaltungskommission durch: Das Gremium stellt sich gegen eine Fortführung der Pappelallee von der Leopold- in die Ludwigstraße. Nun soll die Behörde umplanen; wann es zu einer Entscheidung kommt, ist offen. Im Gespräch erläutert Florian Hochstätter, Mitarbeiter im Baureferat, warum die Behörde die Bäume für wichtig hält, um das Siegestor angemessen in Szene zu setzen.

SZ: Die Stadtgestaltungskommission hat das Konzept für die Umgestaltung des Siegestor-Umfelds scharf kritisiert. Bleibt davon noch etwas übrig?

Florian Hochstätter: Grundsätzlich hat die Kommission unser Konzept sehr begrüßt. Es gibt einen Konsens, nämlich den, dass sich rund um das Siegestor etwas tun muss. Ich denke, dass wir einen guten Ansatz haben, der nicht nur die Historie beachtet, sondern auch eine verkehrliche Verbesserung und mehr Aufenthaltsqualität schafft.

Doch das entscheidende Element ihres Entwurfes ist offenbar vom Tisch. Politiker und Fachleute wollen in der Ludwigstraße keine hohen Pappeln haben.

Die Fortführung der Pappelallee ist ein wichtiger Bestandteil unseres Konzeptes. Nun gilt es, sich mit den kritischen Anregungen der Kommission zu befassen.

Entwerfen Sie jetzt eine Variante ohne Pappeln?

Wir haben nur eine Variante; die Situation ohne Pappeln haben wir ja heute schon.

Warum sind die Bäume so wichtig?

Wir halten es für angebracht, genauer zu betrachten, was das Siegestor für München bedeutet. Es hat einerseits die historische Bedeutung, die das Monument durch den Architekten Friedrich von Gärtner Mitte des 19. Jahrhunderts bekommen hat - als Triumphbogen, der das bayerische Heer im Falle eines Sieges schon vor der Stadt empfangen sollte. Es war von Gärtner nie als Stadttor gedacht. Er markierte durch die Kopfbauten der Universität die Eingangssituation in die Stadt und ließ die äußere Reihe der Pappelallee am Siegestor vorbei bis dorthin pflanzen. Doch das ist heute kaum mehr erkennbar und städtebaulich überformt. Auch deshalb, weil die Pappelallee weit vor dem Siegestor endet.

Florian Hochstätter ist Leiter des Bereichs Stadtgestaltung, Stadtbildpflege und Kunst im öffentlichen Raum im Baureferat der Stadt München. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Eben dies ist für die Kommission entscheidend. Die Situation sei nun anders als zu Gärtners Zeiten, heißt es. Die fortgeführte Allee würde die stadträumliche Zäsur, die das Siegestor markiert, verändern.

Unser Konzept geht über einen stadtgestalterischen Aspekt hinaus. Wir versuchen nicht eine Rekonstruktion der historischen Situation, sondern eine Verknüpfung der geschichtlichen Stränge.

Inwiefern?

Das Siegestor ist in München das wichtigste Mahnmal für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg - deshalb gab es ja auch bewusst nur die teilvollendete Sanierung Josef Wiedemanns. Man kann die Gedächtniskirche in Berlin als Pendant sehen; diese hat jedoch einen Innenraum als Gedenkort. Am Siegestor haben wir nur einen Stadtraum, der aktuell nicht einmal annähernd der Bedeutung dieses Mahnmals gerecht wird.

Und was hat das mit den Pappeln zu tun?

Es wird oft nicht beachtet, dass südlich des Siegestors vor der Schackstraße auf der Ostseite ein monumentaler Nazi-Bau steht, das ehemalige "Haus des Deutschen Rechts". Es repräsentierte damals mit das Unrechtssystem Nazi-Deutschlands. Die Fortführung der äußeren Pappelalle von der Leopoldstraße her könnte meines Erachtens einer historischen Überlagerung dieser Nazi-Architektur dienen.

Die Kritiker sehen es aber als ungut an, die Fassaden mit Bäumen zu verdecken.

Schlimme Erinnerung: Das Luftbild, entstanden um das Jahr 1942, zeigt das Siegestor als Mittelpunkt des Aufmarschplatzes der Nationalsozialisten. (Foto: Baureferat)

Wir wollen keinesfalls etwas kaschieren. Die Pappelallee soll als Klammer wirken, welche die ursprüngliche städtebauliche Intention erlebbar macht - aber auch die historischen Bezüge, die sich hier überlagern, zusammenführen. Schließlich war die steinerne Kulisse ein Ort für Aufmärsche des NS-Regimes, welches den Krieg verursachte. Und für dessen Zerstörungswerk das Siegestor wiederum als Mahnmal steht. Die Pappelreihen könnten wie eine durchsichtige Membran die unterschiedlichen zeitlichen Bedeutungsebenen von Triumphbogen, Nazi-Architektur und Mahnmal vermitteln.

Fühlen Sie sich von der Kommission missverstanden?

Nein. Wir wollen ein Optimum für diesen äußerst wichtigen Münchner Stadtraum. Da empfinden wir Anregungen als äußerst fruchtbar, um unser Konzept noch einmal zu überprüfen. Ohnehin wäre es merkwürdig, wenn eine Diskussion über diesen wichtigen Ort in München ausbleiben würde. Wir sind offen für andere Meinungen, sonst hätten wir ja keine Bürgerbeteiligung gemacht.

Die "Platzoffensive Siegestor" ist Teil eines Projektes für eine neue Form der Bürgerbeteiligung: Das Baureferat stellt sein Konzept öffentlich vor und holt sich das Okay fürs Weiterplanen. Ist das mit dem Veto der Kommission nun gescheitert?

Im Gegenteil. Ich halte es für äußerst erfolgreich. Man muss erst einmal über das "Ob" diskutieren und weniger über das "Wie". Diese Chance bietet unser Verfahren, das wir anfangs ja ohne festgezurrte Planung betreiben. Ich werte es als großen Erfolg, wenn über das Siegestor eine öffentliche Debatte geführt wird. Am Ende entscheidet natürlich der Stadtrat über eine Realisierung.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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