Maxvorstadt:Schaufenster des Viertels

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Der Bezirksausschuss der Maxvorstadt verfügt als einziger über eine eigene Ausstellungsfläche: In der U-Bahn-Galerie an der Uni kann er Kunst präsentieren, aber auch den Wandel des Stadtbezirks kritisch begleiten

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Es kann hier laut zugehen, auch ungemütlich. Eben deshalb passte die U-Bahn-Galerie am Nordausgang der Station "Universität" für diese Ausstellung gut. Schließlich wollte die "Mietergemeinschaft Türkenstraße 52/54" ungemütlich sein, polternd ihren Protest präsentieren. Und das tat sie im Sommer 2013 unter dem Titel "Maxvorstadt - Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum". Eine kleine Ausstellung im zugigen Zwischengeschoss einer U-Bahn-Station - doch mit großer Wirkung. Die Schau zeigte die unheilvolle Entwicklung für Mieter, deren Haus von einer Immobilienfirma "aufgewertet" wird; nebenbei wurde der Blick aber auch auf diese kleine Galerie gelenkt - und darauf, wie eine von Stadtviertelpolitikern kuratierte Ausstellungsfläche den gesellschaftlichen Diskurs zu beleben vermag.

Die Hausgemeinschaft prangerte damals das Gebaren von Immobilieninvestoren an, die günstige in unerschwingliche Wohnungen verwandeln - eine Blaupause für den gravierenden Wandel dieses Viertels. Es wurde eine aufsehenerregende Schau, weil der Vermieter dem Sprecher der Mietergemeinschaft mit rechtlichen Schritten drohte. Der baute die Schautafeln deshalb aus Angst vor der Kündigung ab. Laut und deutlich riefen die Galerie-Betreiber auf ihrer Internetseite dem Vermieter hinterher: "Die Maxvorstadt gehört uns, nicht den Spekulanten", schrieb der Bezirksausschuss (BA) Maxvorstadt. "Es gilt, aufzupassen, liebe Maxvorstädter!"

Abfallbeseitigung, Stadtteilgeschichte, Kunsthandwerk: Die U-Bahn-Galerie im Zwischengeschoss am hoch frequentierten Nordausgang der Station Universität bietet den Maxvorstädtern ein Forum. (Foto: Robert Haas)

Das möchte man in diesen Tagen auch den Hunderten Passanten zurufen, die täglich oftmals achtlos, an den Glasvitrinen vorübergehen. Die jetzt erfolgte Sanierung ist eine Gelegenheit, daran zu erinnern, dass die Maxvorstädter hier eine einzigartige Anlaufstelle haben. Denn kein anderer Bezirksausschuss in der Stadt hat eine vergleichbare Fläche, um Kunst und Kultur im Stadtteil zu präsentieren - und zwar vollkommen in Eigenregie. Seit kurzem ist die Galerie noch etwas gewachsen: Die Münchner Verkehrsbetriebe (MVG) geben auch das letzte Stück der einstigen Reklame-Schaufenster-Reihe her, sodass die Galerie nun gut zwölf Meter Länge umfasst. Wände wurden gestrichen, neuer Boden verlegt, Elektroleitungen erneuert sowie eine LED-Beleuchtung installiert. Die Örtlichkeit nebst den Rolltreppen mag zwar mitunter ungemütlich sein. Doch der BA-Vorsitzende Christian Krimpmann (CSU) sagt: "Es ist ein Segen, dass wir die Galerie haben. Sie ist eine großartige Plattform, um Bürgern und Künstlern der Maxvorstadt ein Forum zu bieten."

Die U-Bahn-Galerie gibt es bereits seit 1981. Dem damalige BA-Vorsitzenden Klaus Bäumler, heute beim Münchner Forum aktiv, fiel damals auf, dass die Vitrinen leer stehen; er erwirkte ein unentgeltliches Nutzungsrecht. Es gab damit einen gut erreichbaren Ort, hochfrequentiert noch dazu, für kulturelle Stadtteilarbeit - den Bäumler und Kollegen auch fleißig zum Verhandeln von gesellschaftspolitischen Themen nutzten: Die Passanten bekamen Ausstellungen zur Solarenergie, Abfallbeseitigung, Vogelschutz ebenso zu sehen wie die kritische Begleitung von Stadtplanungsprojekten, etwa die angedachte (und verworfene) Umgestaltung des Finanzgartens. "Die Galerie bot dem Bezirksausschuss die Möglichkeit, ein Netzwerk und eine Vielzahl von Kooperationen aufzubauen", sagt Bäumler; er ist sich überdies sicher, dass die Galerie dazu beiträgt, dass der BA als lokalpolitisches Organ von der Bevölkerung wahrgenommen wird.

Historiker Norbert Ott (rechts) und Kinderbuchautor Ali Mitgutsch waren bei der Ausstellung zur Luxussanierung in der U-Bahn-Galerie mit dabei. (Foto: Stephan Rumpf)

Und die bekam und bekommt hier immer noch die Vielfalt des Viertels zu Gesicht. Eine Auswahl: Schüler der Fachschule für Steintechnik zeigen Entwürfe für Trinkbrunnen; Nanowissenschaftler geben Einblicke, an was und wie sie forschen; zwei Fotografen, Vater und Sohn, dokumentieren den Wandel der Amalienstraße. Bis heute lässt der BA in der Galerie immer wieder die Stadtteilhistorie von Studenten, Profi- und Laienforschern auffalten. Da läuft dann der erste Faschingszug der Münchner Nachkriegszeit durch die Trümmer; Puppen in historischen Kleidern vermitteln die Lebensumstände des frühneuzeitlichen München. Derzeit wird das Augenmerk des Betrachters auf die Maxburg und die Arbeiten des Handwerker-Kollektivs "Vier Werkstätten" gelenkt, das dort ihre Objekte fertigt.

Gerade die Bindungen des BA zu kunst- und geisteswissenschaftlichen Fächern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) sind über die Jahre sehr eng geworden. So gab es schon zwei Kooperations-Reihen namens "Maxvorstädter Vorlesungen", stadtteilhistorische Projekte, zuletzt auch mit einer Ausstellung in der U-Bahn-Galerie zur Geschichte der legendären Boheme flankiert. Für den BA hatte dabei Günther Westner (CSU) das organisatorische Heft in der Hand, der als Vorsitzender des BA-Unterausschusses Kultur auch den Überblick zu den U-Bahn-Galerie-Veranstaltungen hat. Wer ausstellen will, muss sich beim BA bewerben und dem Gremium sein Konzept vorstellen. Über Bewerber könne man sich nicht beklagen, sagt Westner. "Es gibt ein sehr reges Interesse." Bis Februar 2019 sei die Galerie schon wieder ausgebucht.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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