Maxvorstadt:Körperarbeit

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Der junge Taiwanese Lin Wei-Lung zeigt im Apartment der Kunst Performances und Video-Installationen, in denen er mit seiner ganzen Physis Räume erkundet

Von Jutta Czeguhn, Maxvorstadt

Lin Wei-Lungs Kunst ist harte körperliche Arbeit. 2013 etwa bewegte sich der Taiwanese 60 Stunden lang durch einen Raum, in dem diagonal ein Seil aus geflochtenem Haar gespannt war. Im Video dieser Performance sieht man, wie er sich nackt in langsamen Drehungen im Seil verfängt, bis es sich wie eine Schlinge um seinen Hals legt. Ehe es zur Strangulation kommt, richtet sich sein malträtierter, müder Körper auf und windet sich weiter. In einem anderen Clip transportiert er Schlammerde aus einem Fluss durch den Taifu District, einen hybriden Bezirk der chinesischen Millionenstadt Chengdu. Derzeit ist der Künstler Stipendiat der Villa Waldberta, des Künstlerhauses der Stadt München in Feldafing. An diesem Samstag, 4. Juni, eröffnet Lin Wei-Lung mit einer Langzeit-Performance seine Soloschau im Apartment der Kunst an der Schönfeldstraße 19.

Die Ausstellung ist Teil einer Reihe mit Werken zeitgenössischer chinesischer Kunst aus Taiwan im Apartment der Kunst, das einen intensiven Austausch mit dem VT Artsalon in Taipei pflegt. In den vergangenen beiden Jahren hat es regelmäßig Gruppen- und Einzelschauen von taiwanesischen Künstlern in München gegeben, hiesige Künstler wiederum waren zu Gast in Taipei. Mit Lin Wei-Lung kommt nun ein Vertreter einer jungen taiwanesischen Künstler-Generation ins Apartment, die genreübergreifend im Bereich Performance, Installation, Video und Fotografie arbeitet.

Lin Wei-Lungs Werke waren bislang ausschließlich in Taiwan zu sehen. In seinen Langzeit-Performances benutzt er den Körper als Operationsfeld, um mit seiner Umgebung zu interagieren. Oft geht er dabei an die Grenzen, setzt sich schmerzhaften Prozessen aus, wenn er etwa in einem aquariumgroßen Wasserbassin kauert. Im Apartment der Kunst installiert Lin Wei-Lung drei Arbeiten, die alle auf Performances beruhen. Eine davon hat sich, gekoppelt mit einer Installation, in den vergangenen acht Tagen im Apartment entwickelt. Diese Langzeit-Performance wird erst am Eröffnungstag während der Vernissage ihr Ende finden.

Wieder ist es Lin Wei-Lungs Körper, der sich dem Raum aussetzt, quasi anvertraut. Man sieht den Künstler permanent einschlafen und erwachen. Dieser Übergang vom Bewussten zum Unbewussten ist aber kein sanfter Prozess, sondern ein sisyphus-artiges Experiment, das Lin Wei-Lung so pragmatisch wie poetisch ablaufen lässt: Mit seinen Fingern umfasst er locker Schnüre, an denen Helium-Luftballons hängen. Nickt er ein, und die Finger entspannen sich, entschweben die Ballons gen Decke, die mit Nadeln gespickt ist. Sie platzen mit einem lauten Knall. Lin Wei-Lung erwacht, alles beginnt von Neuem.

Lin Wei-Lung, "Slice", Vernissage mit Live-Performance, Samstag, 4. Juni, 15 Uhr. Die Schau läuft bis zum 1. Juli im Apartment der Kunst, Schönfeldstraße 19, Dienstag bis Donnerstag von 11 bis 16 Uhr, Freitag von 10 bis 13.30 Uhr oder nach Vereinbarung.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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