Maxvorstadt:Im Gleichklang

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Die "Jungen Chöre München" geben Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich in großer Gemeinschaft musikalisch weiterzubilden - und während der Konzertreisen die weite Welt kennenzulernen

Von Lisa Hänel, Maxvorstadt

Rebecca und Saranda haben es geschafft: Sie dürfen während eines Schnupperkurses die "Jungen Chöre München" kennenlernen. Das Vorsingen haben sie erfolgreich gemeistert, Stimmbildnerin Margrid Craemer ist begeistert von den beiden Siebenjährigen: "Sie haben ein gutes Gehör und können genau nachsingen, das ist in diesem Alter eher selten." Craemer empfiehlt, dass Rebecca und Saranda gleich in den B-Kurs gehen, bereits eine Stufe über dem Einstiegskurs. Das nächste Ziel ist der Große Chor - und dann für diejenigen, die sich qualifizieren, der Konzertchor. Dieses Ensemble absolvierte bereits mehr als 140 Konzertreisen in Länder wie Kanada oder Japan.

Der Qualitätsanspruch der Jungen Chöre ist hoch. Das Repertoire umfasst Anspruchsvolles wie das Oratorium "Elias" von Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch leichtere Melodien wie ein Medley aus "Mary Poppins". Wichtig ist, dass der Spaß im Vordergrund steht. "Die Kinder sollen Kinder bleiben. Es ist ein Hobby, wenn auch auf hohem Niveau praktiziert", beschreibt Mitarbeiter Benjamin Schiefer die Intention. Alle vier Monate werden die jungen Sänger daraufhin getestet, ob die Kinder bereit sind, in eine höhere Stufe zu wechseln. Denn mit dem Übergang in den Großen Chor oder gar den Konzertchor steigen die Anforderungen - statt einmal wöchentlich wird dann zweimal in der Woche für etwa zwei Stunden geprobt. "Wir wollen niemanden forcieren, aber auch keinen ausbremsen", betont der musikalische Direktor Bernhard Reimann.

So weit sind Rebecca und Saranda noch nicht. Sie sind erst einmal nur gekommen, um sich über die Jungen Chöre zu informieren; genauso wie etwa 40 weitere Kinder mit ihren Familien. "Erfahrungsgemäß bleiben nach so einem Kennenlerntag mit Vorsingen und nach dem daran anschließenden vierwöchigen Schnupperkurs etwa 20 Kinder dabei. Die entscheiden sich dann für den Chor, kommen zu den Proben und treten auch mit auf", erklärt die Geschäftsführerin der Jungen Chöre, Judith Reimann.

Ihr Mann Bernhard ist seit 1983 der musikalische Direktor. Zunächst stand er nur den 1952 gegründeten "Münchner Chorbuben" vor. Doch mit der Zeit fragten immer mehr Mädchen, teilweise die Schwestern der jungen Sänger, ob es nicht auch einen Chor für sie geben könnte. Im März 1996, vor nunmehr 20 Jahren, war es dann soweit: Auch die Mädchen bekamen ihren eigenständigen und konfessionell unabhängigen Chor.

Im Großen Chor singen die Jungen und Mädchen dann gemeinsam; mittlerweile sind es 54 Kinder und Jugendliche im Alter von sieben bis 17 Jahren. Julian Maurer ist eine Ausnahme, mit 22 Jahren das dienstälteste Mitglied des Chores: "Mir gefällt die Gemeinschaft, deshalb bin ich noch mit dabei."

Dieser Zusammenhalt entsteht auch durch die Nachmittagsbetreuung, die die Jungen Chöre inzwischen anbieten. Der neunjährige Moritz, erst seit einem dreiviertel Jahr dabei und schon Mitglied des Konzertchores, nutzt gerne diese Zeit. "Ich habe eine sehr strenge Lehrerin", erzählt Moritz. "Sie erlaubt mir nicht, die Hausaufgaben wegen der Chorprobe mal etwas später zu erledigen. Hier kann ich meine Hausaufgaben machen und dann gleich zur Chorprobe gehen."

Ohnehin sind seit der Einführung des Abiturs nach zwölf statt 13 Jahren die Probleme größer geworden. "Die Kinder sitzen bis 16 oder 17 Uhr in der Schule und haben in ihrer Freizeit einfach keine Luft mehr", beklagt Bernhard Reimann. Die Absprachen mit den Schulen, wenn es um Proben und Konzertreisen geht, seien viel schwieriger geworden. Hilfreich in diesem Zusammenhang ist die Kooperation mit dem Luitpold-Gymnasium, die seit zehn Jahren besteht; inzwischen gehen fast die Hälfte der Kinder des Großen Chores auf diese Schule. "Wenn es um die Konzertreisen geht, ist es leichter für uns, gleich mehrere Kinder zu beurlauben", erklärt Reimann. Außerdem bekommen Schüler des Luitpold-Gymnasiums Rabatt auf die Gebühren, die durch eine Mitgliedschaft im Chor anfallen; sie belaufen sich auf 70 bis 100 Euro monatlich. Judith Reimann weist aber darauf hin, dass "es auch Fördermöglichkeiten gibt, wenn sich eine Familie den Betrag nicht leisten kann".

So wie Ekaterina Strueva. Die 30-jährige kam vor vier Jahren aus Weißrussland nach Deutschland, ihre Tochter Natalie hat eine Einladung zum Vorsingen erhalten. Zweimal im Jahr besucht Judith Reimann die Münchner Grundschulen und hört sich die Kinder beim Gruppenvorsingen an. Fällt ihr ein Kind auf, dass Talent beweist, lädt sie es zum Vorsingen bei einem Kennenlerntag ein. In ihrer Heimat war Ekaterina Strueva Regisseurin, in Deutschland kann sie ihren Beruf noch nicht ausüben: "Es dauert, bis ich wieder eine Arbeit habe. Aber ich möchte, dass Natalie machen kann, was ihr Spaß macht. Deshalb bin ich froh, wenn die Kosten übernommen werden." Derzeit werden drei Mitglieder finanziell gefördert.

In diesen Tagen stecken alle mitten in den Proben für eine dreiwöchige Konzertreise im Sommer. Und am 8. Oktober zelebrieren die jungen Sänger dann das 20-jährige Bestehen des Mädchenchores mit einem Jubiläumskonzert.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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