Maxvorstadt:Eine Wand des Widerstandes

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Im Bezirksausschuss Maxvorstadt muss die CSU wegen der geforderten Abschiebung von Bettlern harsche Kritik einstecken

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Bis vor anderthalb Jahren tagte der Bezirksausschuss Maxvorstadt noch im Palais Dürckheim, einer alten Stadtvilla. Im politischen Kontext wurde die auch "Palais der schlechten Laune" genannt, denn oft waren die Debatten vergiftet von gegenseitigen Anwürfen - das gibt es am neuen Tagungsort im Bayern-LB-Saal immer noch, in jüngster Zeit nicht zu knapp. Am Dienstagabend lief es einmal erstaunlich anders: Die Fraktionen der SPD und der Grünen applaudierten einander - und zwar für die geschliffen formulierten Vorhaltungen, die sie auf die CSU-Fraktion niedergehen ließen. Eine, vorgetragen von SPD-Sprecherin Katharina Blepp, klang so: "Das ist ganz klar ausländerfeindlich."

Gut eine Stunde plätscherte die Sitzung vor sich hin, über Raser auf dem Altstadtring und das städtische Klo-Konzept "Nette Toilette" wurde debattiert. Dann kam ein CSU-Antrag an die Reihe, der schon vor der Sitzung für harsche Kritik gesorgt hatte: Der Christsoziale Günther Westner, zugleich Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes Maxvorstadt, hatte das Papier mit der Titelzeile "Freizügigkeitsrecht in der Maxvorstadt konsequent anwenden" formuliert. Er fordert ein hartes Vorgehen gegen Armutsflüchtlinge und die "organisierte Bettelmafia". Armutsflüchtlinge hätten nach EU-Recht "kein Aufenthaltsrecht in Deutschland, soweit sie weder einer Beschäftigung nachgehen noch ernsthaft arbeitssuchend sind". Viele Bürger fühlten sich durch Bettelbanden oder "obdachlose EU-Bürger" belästigt. Die Forderung der CSU: Die städtischen Behörden sollen das Aufenthaltsrecht überprüfen und gegebenenfalls "die Ausreisepflicht durchsetzen".

Die Reaktion war mehr als schlechte Laune, die Wortbeiträge der anderen Fraktionen ungehalten. "Der Titel dieses Antrags unter dem Motto Freizügigkeit klingt sehr positiv. Doch tatsächlich ist das eine populistische Unsäglichkeit", sagte Felix Lang (SPD). Obdachlose und Bettler würden durch den Schmutz gezogen. Schon in der Bürgerversammlung im Oktober habe "der CSU-nahe" Verein Südliche Maxvorstadt drei Anträge gegen Obdachlose im Alten Botanischen Garten gestellt. "Es sind keine Probleme da. Es geht nur darum, eine Angststimmung zu erzeugen", polterte er - die Grünen-Fraktion klopfte Beifall auf die Tische. SPD-Fraktionskollege Werner Stadler bezeichnete die von der CSU dargestellte Situation als völlig überzeichnet. Er sprach von drei Bettlern, die er in der Schellingstraße regelmäßig sehe. "Das sind freundliche Leute." Svenja Jarchow (Grüne) berichtete von Gesprächen mit Sozialeinrichtungen - deren Streetworkern seien kaum Bettelbanden bekannt, dafür umso mehr Einzelschicksale: "Und es ist nicht unsere Aufgabe, sie wegzuschicken, sondern ihnen eine Chance zu geben."

Westner wies den Vorwurf des Populismus zurück: "Es ist eine berechtigte Forderung, geltendes Recht anzuwenden." Sein Fraktionskollege Gerhard Mittag unterschied zwischen "normalen Bettlern" und "organisierten Bettlern" und berichtete von einem Bettler, der nach dem Gottesdienst in St. Joseph eine alte Frau "massiv beleidigt" habe, weil diese ihm kein Geld gegeben habe. Am Ende wandten sich SPD, Grüne und FDP geschlossen gegen die CSU, deren Antrag damit abgelehnt wurde. Im Kreisverwaltungsreferat hieß es bereits am Montag, die Initiative widerspreche dem Grundprinzip der EU-Freizügigkeit und sei "faktisch nicht umsetzbar".

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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