Maxvorstadt:Ein Scherz und eine Krone

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Das Londoner "Dialogue Collective" öffnet die Schmuckschatulle der Queen und zeigt ihre besten Stücke

Von Jutta Czeguhn, Maxvorstadt

Hat die Queen Sinn für Humor? "Oh, well, gute Frage!" Petra Bishai fällt in tiefes Grübeln. Ihre Majestät sollte zumindest eine Prise davon besitzen, denn die Kronjuwelen, die neben Elizabeth II. selbst allenfalls der Erzbischof von Canterbury oder der Staubwedel der royalen Putzkolonne berühren dürfen, weilen außerhalb des Empire. Ihre eigenen Untertanen, eine Gruppe von Londoner Schmuckkünstlern namens "Dialogue Collective", haben den imperialen Schatz außer Landes geschafft. Präsentiert wird das Geschmeide nun an diesem Wochenende im LOT 62, als extravaganter, ironischer Sidekick zur Sonderschau Schmuck der Internationalen Handwerksmesse. Die Galerie an der Schleißheimer Straße dürfte in etwa so groß sein wie ein Schrankfach im Ankleidezimmer der Queen im Buckingham Palace. Also alles sehr intim.

Isabelle Busnel (links) und Maud Traon zeigen ihren Schmuck. (Foto: Florian Peljak)

Während Petra Bishai noch nachdenkt über den Humor im Hause Windsor, fällt einem eine besondere Preziose auf: Ein Krönchen, aufgebahrt auf einem violetten Kissen, angefüllt mit Hunde-Biskuits in Knochenform. Anet Wrobel hat das Stück aus einer gewöhnlichen Futterdose gefertigt. Die Idee dahinter: "Die königliche Familie und ihre Hunde leben auf Kosten der normalen Leute." Über diese Haltung zur Monarchie dürfte die Königin gewiss nicht amused sein. Wer genau hinsieht in dieser schrägen, typisch britischen Schmuckshow, bei der einen die Künstlerinnen schwarzgekleidet und mit lilafarbener Schärpe empfangen, kann viel Kritisches entdecken. "Wir in der Gruppe sind wohl alle Republikaner", sagt Petra Bishai. Niemand habe mit der Monarchie etwas am Hut, und doch, die Ironie des Ganzen: "Die Queen wird als Staatsoberhaupt sehr respektiert. Sie macht einen guten Job."

Auch ein güldenes Exkrement findet sich im royalen Schatz (Foto: oh)

In dieser Ambivalenz bewegt sich die ganze Ausstellung, die Kuratorin Sylvia Katzwinkel zur Jewellery Week 2016 nach München geholt hat. Seit Jahren ist die Veranstalterin von "Kunst im Karree" mit der Londoner Gruppe freundschaftlich verbunden. Spätestens seit der Präsentation ihrer Jack-the-Ripper-Kollektion 2014 hat die Truppe eine kleine Fan-Gemeinde in der Landeshauptstadt. Schon damals hatten die Künstler die Schattenseiten ihrer Heimatstadt erkundet. Diesmal begaben sie sich zum Brainstorming in den Londoner Tower, wo nicht nur die Kronjuwelen lagern, sondern auch die Köpfe von Abertausenden Gefangenen rollten. "Chop Chop" nennt Velvet Hart ihre Halskette mit Anhänger-Motiven, die sie Graffiti nachempfunden hat, die einst Gefangene des 16. Jahrhunderts in die Verliesmauern ritzten. Morde im Namen der Monarchie damals. Aber wer regiert heute das Land? Auch diese Frage stellt sich Velvet Hart.

Von Victoria King, über deren Namen man kurz stutzt, stammt der "Lieblingsschmuck der Queen". Eine Nachbildung eines Wikinger-Exkrements, das 1972 in der Grafschaft York gefunden wurde. Ästhetisch ansprechend präsentiert wird das edle Stück Scheiße mit einer Rolle Klopapier. Ob das die Königin mit Humor genommen hätte?

Dialogue Collective, LOT 62, Schleißheimer Straße 62; 27. und 28. Februar, 12 bis 19 Uhr. Weitere Autorenschmuck-Ausstellungen stehen online unter www.84GHz.de/jourfix.

© SZ vom 27.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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