Maxvorstadt:Die Brücke über den Atlantik

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Für fast 20 Millionen Euro lässt der Freistaat das Amerikahaus sanieren. Im großen Saal können künftig mehr Aufführungen und Konferenzen stattfinden, die Kooperation mit US-Wissenschaftlern wird intensiver

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Vorne, an der Bühne, haben sie bereits eine Wand weggerissen, doch die Atmosphäre eines Kreuzfahrtdampfers aus der "Wir-sind-wieder-wer-Zeit" ist noch gut erhalten. "Wie in einem Schiff", beschreibt Meike Zwingenberger das Flair im großen Saal. Sie lässt ihre Finger über eine Lehne gleiten, 450 eng stehende Holzstühle reihen sich unter der Holzvertäfelung wie in einem Bordkino der Fünfzigerjahre. Eine Abschiedsgeste der Geschäftsführerin des Amerikahauses. Die Stühle fliegen bald raus - und mit ihnen auch die angestaubte Atmosphäre. "Es wird kein Neustart, eher schon ein Durchstarten", sagt Zwingenberger.

Runderneuert wird die Rotunde, eines der architektonisch herausstechenden Elemente des Amerikahauses. (Foto: Robert Haas)

Der Unterschied ist der Chefin des Amerikahauses wichtig. Die Institution am Karolinenplatz will sich erneuern - aber vieles vom Alten soll erhalten bleiben, so die Botschaft bei diesem Baustellenbesuch. Seit einigen Wochen läuft die Generalsanierung in dem traditionsreichen Kulturinstitut. Meike Zwingenberger steigt mit dem Architekten und zwei Vertretern des Staatlichen Bauamtes über Schutthaufen; sie schauen in die entkernte Toilettenanlage und blicken im Atrium zur Glaskuppel hoch, wo an den Decken der Rotunde bereits die Bewehrungseisen frei liegen. "Seit den Fünfzigerjahren hat sich hier nichts getan", sagt Zwingenberger ins Hämmern einer Bohrmaschine hinein. "Es ist und bleibt ein offenes Haus für alle, ganz ohne exklusiven Charakter."

Es könnte einem tatsächlich der Gedanke kommen, dass dieses markante Haus neben dem Obelisken zu einer exklusiven Einrichtung umgebaut wird. 19,9 Millionen Euro steckt der Freistaat laut Albrecht Grundmann, Bereichsleiter beim Staatlichem Bauamt München I, in die Generalsanierung. Allerdings hat das bayerische Wissenschaftsministerium schon vor drei Jahren deutlich gemacht, dass die Kulturinstitution im demokratischen Gründungsgedanken weitergeführt werden soll. "Ein Haus für alle" solle es bleiben, betonte der damalige Minister Wolfgang Heubisch und fügte hinzu: Eine "echte transatlantische Brücke" solle es werden, bei der die Vernetzung mit amerikanischen Institutionen noch mehr im Fokus stehe. Im August 2018 soll die Sanierung abgeschlossen sein. Bis dahin muss Zwingenberger mit ihren 18 Mitarbeitern in ein Gebäude der ehemaligen staatlichen Lotterieverwaltung am Nordwest-Eck des Karolinenplatzes umziehen. Die einstweilige Adresse: Barer Straße 19.

Das Amerikahaus am Karolinenplatz wird saniert. (Foto: Robert Haas)

Nun soll die Institution also durchstarten, das marode Gebäude, Baujahr 1957, zu einer modernen Plattform für den deutsch-amerikanischen Austausch werden. Das politische Bekenntnis und die Großzügigkeit der Staatsregierung sind erstaunlich, denn vor nicht allzu langer Zeit wollte sie das Amerikahaus noch abservieren. Ministerpräsident Horst Seehofer plante 2011, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) dort einzuquartieren. Das Amerikahaus stand vor dem Aus - bleibt aber nach erheblichen öffentlichen Protesten nun doch erhalten. Der Freistaat bleibt damit Stützer des Amerikahauses, eine Rolle, die er seit 1998 ausfüllt: Damals hatte die US-Regierung den Amerikahäusern republikweit den Geldhahn zugedreht - und die Staatsregierung machte das Haus kurzerhand zu einer bayerischen Institution unter Trägerschaft eines Vereins; heute führt die Stiftung Bayerisches Amerikahaus gGmbH das Kulturinstitut, eine Gesellschaft des Freistaates.

In all den Jahren seit der Gründung 1946 entwickelte sich das Amerikahaus - zunächst im "Führerbau", der späteren Musikhochschule untergebracht - zu einer der wichtigsten Institutionen des Münchner Kulturlebens, die auch von Spitzenpolitikern als Bühne genutzt wurde. 1966 stellte Franz Josef Strauß als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag hier seine politische Agenda vor; der Ex-US-Präsident Bill Clinton war 2002 zu Besuch. Nicht nur transatlantische Akteure haben das Amerikahaus lieb gewonnen - auch Bürger, Studenten, Forscher nutzen ausgiebig die gut sortierte Bibliothek, besuchen Ausstellungen, Theateraufführungen, Konzerte, Vorträge.

Meike Zwingenberger muss wieder gegen den Bohrer-Lärm anreden, wenn sie von der positiven Strahlkraft des Hauses erzählt. Der Andrang in der Nachkriegszeit sei enorm gewesen. Und sie schwärmt von dem Kubus, erbaut auf dem Gelände des im Krieg zerstörten Lotzbeck-Palais, ein Bau mit ungeheurer Symbolkraft. Denn er ist inmitten eines Stadtteils errichtet, den das Nazi-Regime zu einem Parteiviertel umfunktioniert hatte. Nun muss laut Bauamtsmitarbeiter Grundmann die komplette Technik-Anlage - Lüftung, Heizung, Elektro- und Wasserleitungen - ausgetauscht werden. Dabei gelte es, Auflagen des Denkmalschutzes zu erfüllen, was vor allem beim Einbau der energetischen Dämmung zu beachten sei. Der charakteristische Kubus mit seinen lichten Rotunden, geplant von den Architekten Karl Fischer und Franz Simm, gilt als eines der markantesten Zeugnisse der Nachkriegsarchitektur in München.

Doch konzeptionell wird sich das Gebäude verändern. Zwingenberger macht eine ausholende Geste in dem großen Saal mit dem Schiffs-Flair und erklärt, dass daraus ein moderner Multifunktionssaal mit abtrennbarer Bühnenebene wird. "Wir können dort separat Konferenzen abhalten, während im anderen Bereich ein Empfang stattfinden kann." Das Gebäude werde variabel bespielbar - und damit könne auch der Takt der Veranstaltungen erhöht werden: mehr Tagungen, Workshops, Nachwuchsforen, Fachkollegs. "Wir werden die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen in Nordamerika verstärken", kündigt Zwingenberger an. Wobei das bisherige Service-Angebot, etwa Beratung für Studienaufenthalte und Lehrerfortbildungen, weiterläuft. Im dritten Stock wird dauerhaft die Verwaltung der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) einziehen.

Bis dahin läuft der Betrieb im Interimsgebäude gleich neben der israelischen Botschaft. Aufführungen mit vielen Besuchern sind für die Umbauzeit in der Hochschule für Film und Fernsehen oder in der Musikhochschule. Der Umzug hat übrigens einige wertvolle Relikte aus der "Wir-sind-wieder-wer-Zeit" zu Tage gefördert. Ein altes Bingo-Spiel aus den Fünfzigerjahren etwa sei im Keller gefunden worden, erzählt Meike Zwingenberger. Auch geheimnisvolle Altlasten waren darunter. Ein alter, verschlossener Tresor zum Beispiel. Was war darin? "Keine Ahnung, den haben wir weggeschmissen."

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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