Maxvorstadt:"Das geht wohl nur mit Geld"

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Altes Anwesen: Die Mieter im Haus Schleißheimer Straße 90 wissen nicht, was auf sie zukommt. (Foto: Johannes Simon)

Sanierung oder Abriss: Ungewisse Zukunft für die Bewohner der Gebäude an der Schleißheimer Straße 90

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Durch ein schmales Fenster dringt Licht in eine düstere Toilette; ein Gasofen steht verloren vor stumpf-grauen Wänden; draußen eine narbige Fassade, im Keller wuchert der Schimmel. Die Bilder sollen zeigen, dass die Mietshäuser an der Schleißheimer Straße 90 abgewirtschaftet haben, mithin marode Kästen sind. "Die gesamte Sanitär-, Elektro- und Heiztechnik muss ausgetauscht werden", kommentiert Stefan Heß die Fotos, die er den Mitgliedern des Bezirksausschusses zeigt. Er versichert, mit den Mietern eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Wie er sich das vorstellt, sagt er auch: "In der Regel wird das mit Geld geregelt."

Heß ist der Emissär der Ariston Real Estate AG, jener Immobilienfirma, die mit ihrer Tochtergesellschaft HAG GmbH & Co. KG Vorder- und Rückgebäude an der Schleißheimer Straße 90 mit insgesamt 21 Wohnungen gekauft hat. Er ist in den Unterausschuss des Stadtviertelgremiums gekommen, um zu erklären, was die Firma mit dem Anwesen vorhat. Denn den Mietern wurde die Sanierung des Objekts angekündigt - doch es stellte sich heraus, dass die HAG bereits einen Bauantrag für einen Neubau eingereicht hat. Der Fall ist zunächst deshalb eigentümlich, weil er ein Schlaglicht auf eine Besonderheit im Mietrecht wirft: Einige Bewohner haben Staffelmietverträge; weil eine Umlage der Modernisierungskosten in solchen Fällen nicht zulässig ist, dem Vermieter eine - wie es im Gesetz heißt - "angemessene wirtschaftliche Verwertung" also verwehrt wird, darf den Bewohnern im Fall eines positiven Baubescheids gekündigt werden.

Die Klausel ist indes bei der Sitzung der Lokalpolitiker kein Thema, die wirtschaftliche Verwertung schon. Heß will keine Anstößigkeit erkennen, wenn zu den Sanierungskosten auch geprüft werde, ob ein Neubau womöglich rentabler ist. Er lässt deutlich erkennen, dass die Firma gewillt ist, den Mietern, sofern sie im Falle der Sanierung freiwillig ausziehen, Abfindungen zu zahlen.

Der Fall zeigt nun auch, wie machtlos Mieter und Lokalpolitiker in München der Veränderung ihres Viertels ausgesetzt sind - und wie nutzlos ihr wütender Protest sein dürfte. "Es ist ja legitim, dass Sie mit Ihrer Investition Geld verdienen wollen", sagt Gerhard Mittag (CSU). "Doch es geht nicht ums Geld, es geht um die Mieter, die hier bleiben wollen und die mitunter ihrer Existenz beraubt werden."

Besonders trifft das auf Reinhard Zettl zu, der nach eigenen Angaben seit 36 Jahren einen Friseur-Laden im Vordergebäude betreibt. Erst vor drei Jahren habe er 50 000 Euro in die Renovierung gesteckt, berichtet er. "Außerdem bin ich 56 Jahre alt, da kann man nicht so einfach woanders neu anfangen." Ariston-Vertreter Heß versicherte abermals: Man bemühe sich um einen Ausgleich, "doch das geht wohl nur mit Geld".

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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