Maxvorstadt:Am Anfang stand die Röhre

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Vom Modem zur Flatrate - 20 Jahre lang hat das Maxvorstädter Café Netzwerk den Wandel zur Smartphone-Generation moderiert - bald müssen Betreuer und Gäste nach Obersendling umziehen

Von Milena Fritzsche, Maxvorstadt

An den "Internet-Anstich" erinnerte Stadträtin Anna Hanusch (Grüne) die Gäste im Café Netzwerk an diesem Wochenende und blickte damit zurück auf die Eröffnung des Jugendtreffs vor 20 Jahren, "als Christian Ude das Internet in Betrieb nehmen durfte". Seit dem Auftritt des nunmehrigen Alt-Oberbürgermeisters hat sich viel getan: An den Computerarbeitsplätzen stehen statt sperriger Röhrenbildschirme flache Varianten, Flatrates ersetzen das langsame Modem, dessen Verbindungen im Minutentakt abgerechnet wurden. Lediglich ein Ordner im Regal mit der Aufschrift "Tipps zum Chatten und SMS schreiben" erinnert an eine Zeit, als es noch keine Smartphones gab.

1997 durfte der damalige OB Christian Ude (vorne) den Startknopf drücken. (Foto: Privat)

Mitte der Neunzigerjahre eröffneten in Deutschland die ersten Internetcafés. Das Internet steckte noch in den Kinderschuhen und war ein Luxus, den sich nicht jeder zu Hause leisten konnte. Insofern hatten die Cafés auch eine gesellschaftliche Funktion. Vor - fast auf den Tag genau - 20 Jahren eröffnete am 17. Dezember 1997 das pädagogisch betreute und nicht kommerzielle Café Netzwerk in der Maxvorstadt. "Dabei sind wir eigentlich gar kein Internetcafé, sondern eine Jugendeinrichtung", betont Said Köse, der 2009 die Leitung übernahm. Den Jugendtreff rief der Kreisjugendring München-Stadt ins Leben, weil junge Leute einen kostengünstigen Zugang zu Internet, Medien und Technik bekommen sollten. "Mit sechs Rechnern ging es los, aber die mussten ganz schnell auf 30 erweitert werden, denn es bildeten sich lange Warteschlangen", sagt Köse rückblickend. Heute ist der Zugang zum Internet fast überall verfügbar. Außerdem sind junge Menschen in der Mehrheit mit Smartphones ausgestattet. Ist da ein Jugendtreff, der mit Computern und Internet wirbt, womöglich überflüssig?

Die Gruppe "No Escape" sorgte mit Choreografien für Feststimmung. (Foto: Stefanie Preuin)

Laut Said Köse kommen nach wie vor täglich zwischen 50 und 120 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ins Café Netzwerk. Darunter seien zwar manchmal auch Wiesnbesucher, die ein Internetcafé suchten, oder Reisende, die ihr Flugticket ausdrucken wollten. Vor allem aber kämen junge Menschen, um die Projektangebote zu nutzen. Köse fügt hinzu: "Außerdem kommen sie zum Chillen und Zocken."

Die Einrichtung ist als medienpädagogisches Zentrum längst etabliert - dort treffen sich Vertreter der Youtube-Szene und bringen den Jugendlichen in Workshops bei, Videos zu drehen und zu schneiden. Außerdem lernen Schulklassen im Café Netzwerk, wie sie sich gegen Cyber-Mobbing wehren und mit sozialen Netzwerken umgehen können. Auch Jugendliche, die im Internet straffällig geworden sind, werden von den Mitarbeitern beraten.

Die Internet-Plätze waren von Anfang an begehrt. (Foto: Privat)

Wie Stadträtin Anna Hanusch betonte, sitze das Café Netzwerk an der Luisenstraße 11 eigentlich "ziemlich perfekt". Dennoch steht ein Umzug der Einrichtung bevor. Das Gebäude soll von 2019 an umfassend saniert werden. Ein Ersatz-Domizil in der Maxvorstadt hat man - trotz des Einsatzes der Maxvorstädter Stadtteilvertreter und von Stadträten - nicht gefunden. Voraussichtlich im Dezember 2018 muss der Jugendtreff ins "Junge Quartier Obersendling" an der Schertlinstraße umziehen. "Für uns ist es gut", konstatiert Said Köse, "wir bekommen dort größere Räume." Allerdings schränkt er ein: "Für die Jugendlichen ist es schlecht, denn sie haben in der Maxvorstadt kaum Alternativen, wo sie hingehen können." Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es: Der neue Standort ist nur ein Interimsquartier; nach dem Ende der Bauarbeiten soll der Jugendtreff wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren. "Das", sagt Köse, "sieht zumindest die bisherige Planung vor."

Zaubershow mit "Enjoy Magic": Zum Geburtstagsfest bot der Kreisjugendring München-Stadt ein attraktives Rahmenprogramm. (Foto: Stefanie Preuin)

Für die Jugendlichen dreht sich übrigens nicht alles um Computertechnik: Zum 20-jährigen Bestehen durften sie sich vom Träger etwas wünschen. Weder Tablet noch Smartphone standen auf der Liste, sondern ein "Blender". "Ich musste mich erst einmal informieren, was das überhaupt ist", gibt Leander Gerl vom Kreisjugendring lachend zu und klärt auf: Das gewünschte Objekt sei ein Mixgerät zur Herstellung von Smoothie-Getränken.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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