Wohin entwickelt sich Martinsried? Der ehemals eher verschlafene Ortsteil von Planegg ist heute ein Wissenschaftszentrum von Weltrang und hat sich auch optisch entsprechend verändert. Mit dem neuen Ortsmittelpunkt hat der mittlerweile rund 5500 Einwohner zählende Ort endgültig das Ambiente eines quirligen Münchner Vororts erreicht - mit den dazugehörigen Nachteilen: Massenverkehr und immer höher und wuchtiger wirkende neue Gebäude. Gerade darum ging es im letzten Bauausschuss des Gemeinderats von Planegg. Ein Investor will, mit Unterstützung der Gemeinde, auf einem rund 4300 Quadratmeter großen Grundstück am Wall zwischen Röntgenstraße und Fraunhoferstraße ein sechs Stockwerke umfassendes, 21 Meter hohes Bürogebäude schaffen, das, so sind die Planungen, von einem Martinsrieder Großunternehmen übernommen werden soll. Das Unternehmen, über das man sich im Gemeinderat öffentlich ausschweigt, sitzt derzeit an drei verschiedenen Standorten in der Gemeinde. Dass hier überhaupt in dieser Größenordnung gebaut werden kann, ist einem beabsichtigten Tauschgeschäft der Gemeinde mit einem Martinsrieder Investor zu verdanken, der im Gegenzug zu seinem Grundstück rund 4000 Quadratmeter des Walls erhalten wird. Die Gemeinde könnte auf diese Weise auch die beabsichtige Umgehungsstraße von Martinsried an dieser Stelle geradlinig und ohne Verschwenkung bauen. Das neue Bauwerk hätte imposante Ausmaße: Eine Geschoßfläche von rund 5400 Quadratmetern, auf dem Dach ein Parkdeck, eine Tiefgarage und eine Durchschnittshöhe von 20 Metern - ähnlich der Umgebungsbebauung. Das Gebäude könnte, so interpretiert es die Gemeinde, als eine Art Lärmschutz zwischen der direkt angrenzenden Wohnbebauung und dem Gewerbegebiet dienen. Würde es nicht gebaut, müsste zur neuen Umgehungsstraße hin ein sechs Meter hoher Lärmschutzwall gebaut werden.
Dass neue Bürogebäude in Martinsried dringend gesucht werden, ist für die Wirtschaftsreferentin der Gemeinde, Bärbel Zeller, eine Binsenwahrheit, ebenso wie für Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD), der von "einer hohen Nachfrage in Martinsried" spricht. Das wird zwar von niemandem im Gemeinderat bestritten, die Ausmaße des geplanten Baus gehen vielen Gemeinderäten dennoch zu weit. "Grundsätzlich", sagt Philipp von Hirsch (CSU), "ist das einfach zu groß für 6000 Einwohner, einfach zu massiv". Er schlägt vor, der Investor solle auf ein Stockwerk verzichten. Anneliese Bradel (Gruppe 21) sagt, sie stehe dem Projekt "äußerst kritisch" gegenüber: "Das bedeutet eine Erhöhung der Gewerbefläche hier um das Doppelte. Der Verkehr in der neuen Ortsmitte wird so unerträglich." Die Gemeinderäte richteten sich danach, was die Industrie wolle und wichen immer wieder von ihren Grundsätzen ab. Auch Fritz Haugg (FDP), sonst einer Vergrößerung von Gewerbegebieten nicht abgeneigt, meinte: "Hier gibt's kein Plazet von mir. Der Wall muss erhalten bleiben. Und das Gewerbe muss von den Wohnungen deutlich getrennt werden."
Dennoch wird das Gebäude wohl gebaut werden - wenn auch niedriger. Der Ausschuss stimmte dem Antrag von Philipp von Hirsch zu, auf das oberste Stockwerk zu verzichten. Ob das Plenum des Gemeinderats dieser Empfehlung folgen wird und sich auch der Investor damit anfreunden kann, ist allerdings völlig offen.