Marionettentheater:Kronen der Schöpfung

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Die Heiligen Drei Könige überreichten an der Wiege des Jesuskinds Weihrauch, Gold und Myrrhe. Aber vielleicht haben sie auch musiziert? Diese Marionetten jedenfalls halten ihre Geigen bereit. (Foto: Marlene Gmelin)

Die "Pendelmarionetten" sind Staatspreisträger und entführen in fantastische Welten. Ihre Erschaffer Marlene Gmelin und Detlef Schmelz lehren ihre Kunst in Spielkursen.

Von Barbara Hordych

Die jüngsten Kunstwerke aus der Werkstatt von Marlene Gmelin und Detlef Schmelz sind drei filigrane Geigenspieler in bauschigen weißen Gewändern mit weihnachtlich gekrönten Häuptern. "Sie sind nigelnagelneu und als Auftragsarbeit für eine private Käuferin, selbst Geigenspielerin, entstanden", sagt Gmelin. Wie hält man die Geige, wie führt man den Bogen? Das waren die kniffligsten Fragen, die ihre Schöpfer lösen mussten. Eine der Figuren behalten sie denn auch für sich selbst, um später deren Konstruktion nachvollziehen zu können. "Außerdem schmerzt es dann nicht so sehr, die anderen wegzugeben", sagt Gmelin.

Mit viel Fantasie und handwerklicher Kompetenz entwerfen, bauen und gestalten Gmelin und Schmelz seit den 1970er Jahren ihre Geschöpfe am seidenen Faden. Ihre Marionetten, einerlei ob Magier oder Blattlaus, ob Eisbär oder Ballerina, treten in meist pantomimischen Marionettenspielen im eigenen kleinen Theater in einem Dorf in Hohenlohe vor 40 Zuschauern auf - oder auf internationalen Gastspielreisen. Die Figuren sind zauberhafte Grenzgänger zwischen bildender und darstellender Kunst, zwischen Bildhauerei und Schauspiel; ihre Schöpfer wurden 2016 mit dem Staatspreis Baden-Württemberg für Kunsthandwerk ausgezeichnet.

"Unsere Haupttätigkeit ist die Herstellung von Marionetten für jeden, der gerne mit professionellen Figuren spielen möchte, das sind Figurentheater, aber auch Privatpersonen", erzählt Gmelin. Immer zu zweit arbeiten sie an den Figuren, die zwischen 900 bis 2 5000 Euro kosten, je nach Aufwand. "Die Optik kommt von mir, die Mechanik von meinem Mann. Er baut den Körper, ich gestalte Kopf und Gesicht. So pendelt die Figur bis zur Fertigstellung zwischen uns hin und her", sagt Gmelin.

Kennengelernt hat sich das Künstlerpaar beim Pädagogik-Studium in Marburg, beim Marionettenspiel auf einer Studentenbühne. "Das war zur Hippie-Zeit, wir suchten wie so viele nach künstlerischen Alternativen. Und dann hat uns die Begeisterung für das Marionettenspiel nicht mehr losgelassen", sagt Schmelz. Seit den 1990er Jahren führen sie das Marionettentheater "Pendel - östlich der Sonne und westlich vom Mond", in dem sie Märchen- und Mythenbearbeitungen zeigen. "Jetzt wäre es zur Weihnachtszeit wieder das Märchen vom 'Mädchen mit den Schwefelhölzern' gewesen", sagt Gmelin mit Bedauern.

Da die Käufer häufig den Wunsch äußerten, auch die Marionettenführung zu erlernen, bietet das Künstlerpaar seit Mitte der Neunziger Jahre Seminare in Marionettenspiel an. Pandemiebedingt wurde der nächste Kurs für Anfänger von Januar auf den Mai 2021 verlegt. Aber einen Film über den letzten Kurs, der noch im November kurz vor dem Lockdown für Arte gedreht wurde, gibt es in der Mediathek und auf ihrer Webseite zu sehen.

Die Kursteilnehmer reisen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich an. Was fasziniert sie alle so an dieser Kunstform? "Meist denken die Menschen, die zu uns kommen, dass es um die Marionette geht und nicht auch um sie selbst. Dabei geht es darum, dass sie ihr eigenes Körperbewusstsein ausbilden", sagt Schmelz. Was heißt das konkret? "Wenn man mit einer Marionette laufen möchte, muss man erst einmal an sich selbst feststellen, wie das Gehen geht." Das Gleiche gelte für das Aufstehen und Hinsetzen, für die Kopfdrehung oder das Verbeugen. "Die Noten, um die Figur wie ein Instrument zu spielen, liegen im eigenen Körper. Wenn man die Bewegungsabläufe an sich selbst nachvollzieht, wird das Marionettenspiel fast automatisch zu einer Art Synchrontanz", so Schmelz.

Trotz Theaterschließung gewährt das aufwendig gemachte Buch "Marionetten - Kunst, Bau, Spiel" (Swiridoff Verlag) einen Einblick in die Kunstform der Pendelmarionetten. Und in Aktion sind die Staatspreisfiguren in vier Kurzfilmen auf der Webseite zu erleben.

Filme und Termine: www.pendelmarionetten.de

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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