Manu Chao auf dem Tollwood-Festival:Che Guitarra

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Seit mehr als 20 Jahren liefert er den Soundtrack zur Globalisierung. Bei seinem Konzert auf dem Tollwood-Festival in München versetzte Manu Chao sein Publikum in Ekstase - mit ganz einfachen Tricks.

Beate Wild

Manchmal gibt es Gefühle aus der Vergangenheit, die einen plötzlich und unverhofft wieder einholen. Eigentlich waren sie längst in Vergessenheit geraten, doch dann nach all den Jahren sind sie wieder da: die Euphorie, das Herzklopfen, diese Wärme in der Herzensgegend. Als wäre es gestern gewesen.

Der singende Revolutionär: Manu Chao. Gerade ist der in Paris geborene und aufgewachsene Spanier 50 Jahre alt geworden. (Foto: AFP)

Genau so ist es mit Manu Chao. Bei seinem Konzert am Donnerstagabend auf dem Tollwood-Festival in München schaffte es der franko-iberische Musiker mit den ersten Akkorden, ein unbeschwertes, sommerliches Was-kostet-die-Welt-Gefühl zu reanimieren, das längst verblasst war. Vor genau zehn Jahren hatte Manu Chao seine größten Erfolge mit "Bongo Bong", "Clandestino" und "Me gustas tú". Mit seinen engagierten Texten traf er genau den Nerv der Neo-Hippies und Globalisierungsgegner. Er war damit so erfolgreich, dass er sich sogar in den Charts wiederfand, obwohl das ursprünglich sicher nicht sein Plan gewesen war.

Anfang des neuen Jahrtausends kam man an dem in Paris geborenen Spanier nicht vorbei. Erst recht nicht, wenn man Erasmus-Student in Spanien war. Bei einem Konzert in Madrid wurde der Multikulti-Musiker gefeiert wie ein Erlöser. Zehn Jahre später hat sich daran nichts geändert.

Auch die Konzertbesucher am Donnerstagabend feiern den singenden Nomaden so euphorisch wie man es sonst vom Münchner Publikum eher nicht gewöhnt ist. Kaum erhebt Manu Chao seine Stimme, schon tobt und pogt das Zelt. Der Mann mit der Mütze hat Kultcharakter, jeder im Publikum ist froh, an diesem Abend dabei sein zu dürfen.

Bekannt geworden ist Manu Chao vor allem auch wegen seines politischen Engagements. Der Multikulti-Künstler gibt wie kein anderer illegalen Migranten eine Stimme. Er ist ein vagabundierender Protestbarde. Mit seinen Alben Clandestino und Próxima Estación: Esperanza rüttelte er noch auf. In den vergangenen Jahren ist es allerdings still geworden um den kürzlich 50 Jahre alt gewordenen Musiker.

Bevor sich Manu Chao als Solokünstler einen Namen machte, war er von 1987 bis 1995 Mitglied der Band Mano Negra, was so viel bedeutet wie "schwarze Hand" und gleichbedeutend ist mit "illegaler Ausländer". Die Band trieb sich oft in Südamerika herum und tourte aber auch mit anderen französischen Künstlern unter dem Namen Caravane durch die Pariser Banlieues und französischen Provinzstädte. Nach der Trennung der Band machte Manu Chao alleine weiter.

Seinen Musikstil bezeichnet er selbst als Mestizo, man könnte auch Weltmusik dazu sagen. Es ist eine wilde Mischung aus Rock, Ska, Reggae, Rap, Flamenco, Salsa und anderen volkstümlichen Einschlägen. Nicht zuletzt machen auch die verschiedenen Sprachen, in denen Manu Chao singt, seine Songs so multikulti: Französisch, Spanisch, Englisch, Italienisch, Portugisisch, Galicisch - alles dabei. Wobei sein Schwerpunkt eindeutig auf Spanisch liegt.

Die Band La Ventura, die Manu Chao auf dem Tollwood begleitet, ist minimalistisch. Neben dem Sänger gibt es noch einen weiteren Gitarristen, einen Bassisten und einen Schlagzeuger. Der Meister selbst trägt wie immer das Outfit eines modernen Revoluzzers: weite Baggy-Pants, aufgeknöpftes Hemd, eine tief ins Gesicht gezogene Kappe.

Doch obwohl es der Weltenbummler ohne große Show ganz leicht schafft, das Publikum in Ekstase zu versetzen, fällt auf, dass alle Songs im Grunde die gleiche reduzierte Struktur haben: Anfangs kommen sie als leichtfüßige Reggae-Adaption daher, im letzten Drittel schwenkt der Song plötzlich um und wird zur Ska-Version: schneller, härter, krawalliger. Sein Bassist tritt dann regelmäßig an den vorderen Bühnenrand und schreit im dazu passenden Rhythmus "Hey, Hey, Hey, Hey" ins Publikum. Und alle grölen selbstverständlich mit. Eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, Stimmung zu machen.

Manu Chao ist überhaupt kein Mann der großen Worte. Er kommuniziert so gut wie gar nicht mit dem Publikum. Und dennoch zeigt er bei den Zugaben einen extrem langen Atem. Hier spielt er dann auch den Bob-Marley-Klassiker "Iron Lion Zion". Es könnte auch ein Song von Manu Chao sein - allerdings als Ska-Version.

Am Ende des Abends ist die Sehnsucht nach Rebellion erst mal wieder gestillt. Revolution kann nicht nur friedlich sein, sondern auch ganz viel Spaß machen.

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