Made in Munich:Eine Heimat für die Heimat

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Socken, Naturkosmetik, Kindermode, Sonnenbrillen, Taschen und mehr: "Nur Münchner Produkte? Wie schön." Stephanie Kahnau erhält viele positive Rückmeldungen für das Angebot in ihrem Laden "Hier" in Haidhausen. (Foto: Natalie Neomi Isser)

Modedesignerin Stephanie Kahnau verkauft in ihrem Laden nicht nur eigene Produkte, sondern auch andere lokale Marken - sie will auf die kreative Vielfalt Münchens aufmerksam machen

Von Franziska Gerlach

Eine Vernetzerin? Stephanie Kahnau zieht die feinen Augenbrauen über der Nasenwurzel hoch. Nein, so würde sie sich nicht bezeichnen.

"Aber ich möchte, dass hier noch mehr passiert mit lokalem Design", sagt sie. Kahnau, 32 Jahre alt, hat vor einem Jahr an der Inneren Wiener Straße auf 120 Quadratmetern "Hier" eröffnet, ein "Studio and Store for local design". Ein Laden mit angegliedertem Atelier und drei Arbeitsräumen, die sie an eine Online-Händlerin für Kindermode und zwei Künstlerinnen vermietet - knapp die Hälfte der Miete erhält sie so. Neben ihren eigenen Kollektionen, ihrer Damenmode und dem Schmuck, führt Kahnau in ihrem Geschäft mit dem alten Dielenboden mehr als 20 lokale Labels und Marken - ein Konzentrat dessen, was Münchner Design alles sein kann: Da wäre zum Beispiel das Sockenlabel und die Naturkosmetik, die Kindermode, der Tee in dem hippen Tetrapack und die Sonnenbrillen, die schlichten Taschen aus robuster Baumwolle, die Keramik und die Papierkunst.

Stehlen sich die Produkte nicht gegenseitig die Schau? Konkurrieren sie? "Die ergänzen sich", sagt Kahnau, die vor sechs Jahren gemeinsam mit ihrem Freund von Stuttgart nach München gezogen ist. Denn wer ganz Unterschiedliches anbietet, der zieht auch ganz unterschiedliche Kunden an. Alles und jeden nimmt sie aber nicht in ihr Sortiment auf. Was sie "auf Kommission" verkauft, muss schon ihren Ansprüchen genügen. Die Materialien müssen hochwertig, die Produktionsbedingungen fair, die Aufmachung gerne im Stil jener reduzierten Designsprache gehalten sein, die man eher in Skandinavien verorten würde. Nur eines wird es dem weißen Schriftzug an der Schaufensterscheibe zufolge wohl niemals geben bei Kahnau: "No Dirndl, no Brezn." Mit ihrem Ladenkonzept möchte die Designerin schließlich die kreative Vielfalt Münchens zeigen, und dass die Stadt mehr hervorzubringen vermag als Modemacher, die bayerische Wortspiele für witzige T-Shirt-Prints halten. München hat seine kleinen coolen Labels, so ist es ja nicht. Man sieht sie oft nur nicht wegen der teuren Mietpreise und einer Innenstadt, die sich die Filialen und alteingesessenen Traditionshäuser beinahe bis auf den letzten Quadratmeter untereinander aufgeteilt haben. "Gerade am Anfang kann man sich keinen Laden leisten", sagt die Designerin.

"Hier" ist nicht der erste Laden von Stephanie Kahnau. Bereits im März 2016 bezog sie im Ruffinihaus, dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex der Stadt München am Rindermarkt, eine kleine Fläche im Erdgeschoss. Das städtische Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft hatte die rund 30 Quadratmeter kostenfrei an verschiedene Münchner Unternehmer vergeben. Ein gutes Jahr blieb Kahnau dort. Schon damals teilte sie sich den Raum mit anderen Marken aus München. "Da hatte ich die Chance, das Konzept ohne großes Risiko auszuprobieren", sagt Kahnau. Sie habe nicht nur viele neue Menschen kennengelernt in dieser Zeit, sondern auch viele positive Rückmeldungen erhalten. "Nur Münchner Produkte? Wie schön." Sommersprossen, das brünette Haar zu einem Dutt geschlungen, eine zarte Erscheinung: Nichts an der jungen Frau ist laut oder schreit nach Aufmerksamkeit. Auch der Reiz ihrer Mode entfaltet sich am besten, wenn man die großflächig geschnittenen Kleider und Oberteile berührt, die Gestaltung der Materialien betrachtet.

Mal lässt sie einen Schaumdruck auf einem hellrosa Stoff erwachsen, dann schafft sie einen Kontrast durch einen Lackdruck auf matter Wolle. Und einmal zerreißt sie einen schwarz-weißen Stoff in Streifen, die sie anschließend wieder zu einem Mini-Karo-Muster zusammennäht. Eine Fieselarbeit? "Schon", sagt Kahnau. "Aber das ist eben, was mir Spaß macht." Draußen rattert eine Tram über ihre ruhige Stimme hinweg. Kahnau ist keine, die Sätze hinausposaunt, die sie im nächsten Moment wieder korrigieren muss. Wenn die Designerin erzählt, fügen sich die Informationen eher gemächlich zu einem großen Ganzen zusammen.

Neben dem Laden und der Arbeit an ihrer eigenen Kollektion hat Kahnau noch eine weitere Tätigkeit: Sie unterrichtet an zwei Münchner Modeschulen, der Akademie Mode & Design (AMD) und der Mediadesign Hochschule (MD.H). Ohne Zusatzverdienst gehe es einfach nicht bei den Lebenshaltungskosten in der Stadt. Kahnau hat Textildesign in Stuttgart studiert. 2012, einige Monate nach ihrem Abschluss an der Kunstakademie dort, gründet sie unter ihrem Namen ein Modelabel. Das sei so zwar nicht geplant gewesen, denn eigentlich hatte sie sich die Selbständigkeit - die Buchhaltung, das Marketing zum Beispiel - gar nicht zugetraut. "Ich dachte erst, das ist nicht das Richtige für mich." Zumal in München, wo es durchaus eine Weile dauern kann, bis man sich zurecht findet und erste Kontakte knüpft. Doch heute, sechs Jahre und einige Ateliers später, weiß Kahnau: Die Mode, die Selbstständigkeit und vor allem der Laden waren genau das Richtige für sie. In den Jahren davor hatte sie ihre Entwürfe oft auf Messen gezeigt, "ein enormer Druck" sei das, wenn man an nur einem Wochenende die Gebühren für den Stand über den Verkauf seiner Ware hineinbekommen müsse. An einem eigenen Laden schätzt sie dagegen, dass sie erklären kann, wie lokales Design überhaupt entsteht: Wie viel Zeit darin steckt, wie viel Arbeit und Mühe.

"Ich habe hier nicht bei Null angefangen", sagt sie. Nicht nur Labels, auch etliche Kunden folgten ihr vom Ruffinihaus nach Haidhausen. Dann wiederum gibt es Münchner, die das Geschäft sehr zurückhaltend betreten. Doch sei diese anfängliche Vorsicht erst einmal überwunden, sagt sie, zeigten sich die Besucher oft sehr interessiert an ihrem Handwerk - und an ihrem Siebdrucktisch, an dem Stephanie Kahnau ihre Stoffe bearbeitet: 3,50 Meter auf zwei Meter groß. Wenn sie einmal so richtig mit den Farben zugange ist, kann sie natürlich keine Kunden beraten. Dann springt Katharina Kopp für sie ein, die Online-Händlerin für Kindermode, der Kahnau einen Raum vermietet. Man profitiere voneinander, es sei ein schöner Austausch entstanden, sagt sie. Eine Freundschaft. Noch so ein Vorteil, wenn sich Kreative zusammenschließen.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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