Löwen-Fans:"Das sind keine Fußballer, das sind Volldeppen"

Lesezeit: 2 min

Ein Löwenfan im Stüberl - die Stimmung ist eher trüb. (Foto: Florian Peljak)

Es ist hart, gegen einen Klub auszuscheiden, dessen Name so klingt wie eine Mädchen-Coverband der Sportfreunde Stiller. Was die hartgesottenen Fans denken, die immer noch ins Löwenstüberl kommen.

Von Philipp Jakob, München

Viel ist an diesem Nachmittag auf dem Trainingsgelände des TSV 1860 München nicht los. Bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt ist das wenig verwunderlich und überhaupt: Warum sollte ein Löwen-Fan dort aufkreuzen? Seitdem 1860 unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert, versperrt eine riesige Plane den Blick auf die Profis. "Damit vergraulen sie die Treuesten der Treuesten", schimpft einer, der sich selbst zu den Treuesten zählt.

Er hat es sich gemeinsam mit einer Handvoll Löwenfans älteren Semesters in der Fankneipe 60er Stüberl gemütlich gemacht. An der Wand über ihm hängen Fan-Schals, auf einem Foto ist die Wirtin Arm in Arm mit 1860-Investor Hasan Ismaik zu sehen. Beide lächeln in die Kamera. Von dieser heilen Welt ist das 60er Stüberl aktuell aber weit entfernt.

Street-Art
:Was Polizistenhass mit Fußballstickern zu tun hat

Fabian Bross, Blogger und Sammler, fotografiert Fan-Aufkleber im öffentlichen Raum. Für ihn ist das ganz klar Street-Art - und die muss immer illegal sein.

Interview von Elisa Britzelmeier

In den engen Räumen der kleine Kneipe sind die aufgebrachten Stimmen der anwesenden Löwen-Fans besonders laut: "Die Stimmung ist ganz miserabel", sagt ein älterer Herr in einem bunten, viel zu großen Pullover, einen Tag nach der bitteren 0:2-Pokalpleite gegen die Sportfreunde Lotte. "90 Prozent der Fans sind total sauer", stimmt der Mann neben ihm mit grauen Haaren und grauem Schnauzer zu, "das hat mit Fußball nichts zu tun, das ist ein Kasperltheater." Lachnummer wäre auch treffend, merkt sein Freund an.

Immerhin reagiere Fußball-Deutschland mit Spott und Häme auf die Querelen in und um den Traditionsverein sowie den sportlichen Niedergang der Löwen. Den Sechzig-Fans blieben dagegen nur Frustration und Abstiegssorgen: "Da kannst du eigentlich gar nicht mehr drüber lachen", sagt der erste Mann, "normalerweise gehört der Verein aufgelöst." Wieder wird es laut in der Kneipe, alle reden durcheinander, die Botschaften werden grob: "Das sind keine Fußballer, das sind Volldeppen."

Die Kritik des Stammtisches konzentriert sich auf die Mannschaft, die "einfach nicht Fußball spielen kann". Die Fans wollen ihre Namen nicht nennen, die Angst ist groß, dass allzu kritische Äußerungen eine Verbannung vom Vereinsgelände zur Folge haben könnten. Eine Sorge mit Symbolcharakter: Kritische Stimmen sind unter den Fans omnipräsent, bei der Vereinsführung allerdings nicht gerne gesehen. Dabei sei Investor Ismaik nicht mal ein Vorwurf zu machen, er habe alles versucht, so die Meinung im 60er Stüberl: "Wenn wir den nicht hätten, dann wäre es sowieso vorbei."

Generell unterstütze die Mehrheit der Fans den Jordanier, "etwa 70 Prozent sind pro Ismaik", meint jedenfalls Oliver Griss, der Betreiber des investorenfreundlichen Internetblogs dieblaue24.com. "Das ist die Entwicklung des Fußballs: Ein Investor ist die einzige Chance, nach oben zu kommen", sagt Griss. Dennoch herrsche auch auf dem Portal eine ähnlich deprimierte Stimmung wie im 60er Stüberl, das sei aber "rein sportlicher Natur".

Die älteren Herren aus der Fankneipe wollen künftig sogar das Stadion meiden - trotz Dauerkarte seit 30 Jahren. "Mein Geld bekommen die nicht mehr", sagt einer. "Verarschen kann ich mich selber", sagt ein anderer. Währenddessen steht Stefan Sander draußen in der Kälte. Seit 45 Jahren ist er Löwenfan, erzählt er nicht ohne Stolz. Nun schaut er der U 21 beim Training zu, das darf man bei 1860 noch. Er beschreibt die Stimmung als "brutale Niedergeschlagenheit". Dennoch hat er zwei Eintrittskarten in der Hand. Er hat sie soeben im Fanshop gekauft. In der Mannschaft sei zwar der Wurm drin. Trotzdem: "Optimismus pur. Es bleibt ja nichts anderes übrig."

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

TSV 1860
:Die Hölle des Löwen

Der TSV 1860 steuert sich selbst Richtung Abgrund. Und trotzdem halten ihm die Fans noch die Treue. Womöglich ist es Liebe.

Von Wolfgang Görl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: