Street-Art:Was Polizistenhass mit Fußballstickern zu tun hat

Street-Art: Fabian Bross fotografiert seit einigen Jahren Street-Art-Motive in München.

Fabian Bross fotografiert seit einigen Jahren Street-Art-Motive in München.

Fabian Bross, Blogger und Sammler, fotografiert Fan-Aufkleber im öffentlichen Raum. Für ihn ist das ganz klar Street-Art - und die muss immer illegal sein.

Interview von Elisa Britzelmeier

Das Münchner Kindl auf dem Stromkasten, ein "Refugees Welcome"-Schriftzug am Briefkasten, ein Bandname auf dem Stoppschild: Wer die Augen offen hält, entdeckt fast überall in der Stadt Aufkleber. Die Botschaften unterscheiden sich, aber häufig zu finden sind Sticker mit Fußballthemen. Fabian Bross, 32, Linguist, Blogger und Sammler, hat zahlreiche dieser Fan-Aufkleber fotografiert. Am Donnerstag präsentiert er seine Fundstücke. Für ihn sind Fußball-Sticker ganz eindeutig Street-Art.

SZ: Was ist denn an Fußball-Fan-Aufklebern so spannend?

Fabian Bross: Die Leute geben sich viel Mühe, im Gegensatz zu einfachen gesprayten Schriftzügen. Auf den Stickern sind Comics, Collagen, schön gestaltete Schriften, oft sehr liebevoll gemacht. Auch die inhaltlichen Bezüge sind spannend, etwa wenn ein Sticker Motive oder Text eines anderen aufgreift. Ich sammle seit 2010 Bilder von Street-Art. Dabei fällt auf: Sticker entwickeln bei bestimmten Themen eine besondere Vielfalt. Zum Beispiel: Antifa, Polizistenhass, und eben Fußball-Fankultur. Sticker sind besonders spannend, weil sie einfach aufzubringen sind. Das ist ja eines der Anliegen bei Street-Art: Es muss schnell gehen.

Da sind Aufkleber einfach praktisch.

Genau. Wer Sticker entwirft und aufklebt, will, dass seine Botschaft gesehen wird. Deswegen sucht er sich Orte, an denen möglichst viele Leute vorbeikommen. An denen ist es aber umso riskanter, die Motive anzubringen. Da ist das Praktische am Kleben: Man kann die Sticker in Ruhe daheim vorbereiten und sie dann in kurzer Zeit auf viel Fläche verbreiten. Es geht immer auch darum, das eigene Territorium zu markieren. So etwas lässt sich aus Stickern ableiten.

Ab wann ist ein Sticker denn Street-Art?

Generell definiere ich unter Street-Art alles, was illegal im öffentlichen Raum angebracht wurde und einem einigermaßen künstlerischen Anspruch genügt. Dass es also nicht nur Geschmier ist. Die Sticker sind eine Form von Street-Art, auch weil die Inhalte zu anderen Formen ähnlich sind. Und Street-Art ist ein urbanes Phänomen. Ohne Stadt keine Street-Art.

Wenn es illegal sein muss - wie unterscheidet sich Street-Art von Vandalismus?

Das ist nicht zu unterscheiden. Für den einen Betrachter ist es Kunst, für den anderen nicht. Aber immer mehr Leute tendieren dazu, in Street-Art eine Form von Kunst zu sehen. Wer solche Sticker klebt, benutzt die Stadt wie einen Blog, schreibt sozusagen in ihr. Die Wände werden zu "Walls" im ursprünglichen Sinn, zu öffentlichen Plattformen.

Die Illegalität ist entscheidend?

Ja, absolut.

Wenn also die Stadt einen Tunnel von einem Künstler besprayen lässt - ist das dann keine Street Art?

Nein, das würde ich zur Urban-Art zählen. Dabei werden Formen der Street-Art nachgeahmt, ohne selbst Street-Art zu sein. Auch wenn es natürlich verschiedene Definitionsansätze und Terminologien gibt.

Was ist denn auf den Fußball-Aufklebern zu sehen?

Es ist typisch für Street-Art, bekannte Motive wiederaufzugreifen. Sehr häufig wird zum Beispiel das "Atomkraft-nein-Danke"-Logo nachgeahmt. Beim Fußball finden sich oft: das lokale Bier, das Münchner Kindl, der Löwe ... Ich muss aber dazu auch sagen: Ich habe absolut keine Ahnung von Fußball. Ich weiß nicht einmal, was Abseits ist, und es interessiert mich auch nicht. Deswegen die Veranstaltung: Ich habe mich gefragt, was ich da eigentlich sammele. Zuerst habe ich Freunden - Fußballfans - ein paar der Motive gezeigt, und dann wurde dieser Abend daraus, bei dem jetzt die Münchner StadtschülerInnenvertretung, das Fanprojekt München und der Kreisjugendring dabei sind.

Welche ersten Erkenntnisse gibt es?

Feststellen kann man: Fußballsticker und Polizistenhass treten häufig gleichzeitig auf.

Warum?

Das weiß ich selbst nicht so genau. Offenbar sind das die gleichen Leute, die da unterwegs sind. Beobachten lässt sich: Entweder werden beide Themen in einem Sticker verknüpft, oder man findet den ACAB-Schriftzug (All Cops Are Bastards, Anm. d. Redaktion) neben dem Aufkleber. Das ACAB-Motto taucht ja öfter in der Stadt auf, es soll signalisieren: "Hier mag man keine Polizisten." Meistens wird das schnell und hässlich hingesprüht. Auf Stickern dagegen findet man es auch schön ausgearbeitet. Wahrscheinlich entwerfen die Leute solche Sticker selbst und kleben sie dann. Anders ist es bei Antifa-Aufklebern: Da gibt es zwar auch eine große Vielfalt, aber oft professionell gemacht. Die kann man einfach kaufen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Stickern von 1860-Fans und denen vom FC Bayern?

Nein. Inhalte und künstlerischer Anspruch sind auf beiden Seiten ähnlich. Übrigens finden sich hier nicht nur Münchner Clubs. Fans hinterlassen auch Botschaften, wenn sie als Gäste da sind. Oder wenn sie von außerhalb herziehen. Leipziger und Kölner scheinen da besonders aktiv zu sein. Und Hansa Rostock taucht häufig auf.

Wo in München gibt es denn besonders viele Aufkleber?

An erster Stelle natürlich in Giesing. Und auch rund um die Arena in Fröttmaning, aber insgesamt ist es dort recht sauber und ordentlich. Es wird offenbar viel Wert auf Reinigung gelegt.

Und unabhängig vom Fußball?

Im Glockenbachviertel. Das ist typisch, und für viele auch ein Kriterium von Street-Art: Sie hängt mit Gentrifizierung zusammen.

Warum kleben Fußballfans diese Sticker überhaupt?

Man versucht, eine eigene Identität zu stärken, indem man sich von den anderen abgrenzt, man nimmt die Sprüche des Gegners wieder auf, wertet ihn ab. Es gibt aber auch friedliche Botschaften: Dass Fans mit Stadionverbot trotzdem willkommen geheißen werden. Dass Rassismus ausgesperrt gehört. Dass Homophobie blöd ist. Mir geht es gar nicht so sehr um den Grund. Sondern um die Muster, die daraus entstehen.

"Ge(k)lebte Fankultur", Vortrag von Fabian Bross, Donnerstag, 2. Februar, um 20.30 Uhr im Jiz, Sendlinger Straße 7.

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