Lochhausen:Von der Baracke zum Gotteshaus

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Die evangelische Bartimäus-Gemeinde in Lochhausen feiert an diesem Wochenende ihr 50-Jahre-Jubiläum. Eine Ausstellung mit historischen Fotos erinnert an die Anfänge in der ersten Notkirche und den Pioniergeist der Gläubigen

Von Ellen Draxel, Lochhausen

Dieter Birmann kennt noch den Spitznamen St. Giggenbach. So nannten die Lochhausener in den ersten Jahren nach der Einweihung scherzhaft ihr evangelisches Gemeindezentrum. Weil es nämlich an der Giggenbacherstraße lag. Dort liegt es zwar heute immer noch, es hat sich aber inzwischen der Name geändert: Die Gemeinde, die an diesem Wochenende die ersten 50 Jahre ihres Bestehens feiert, ist nach Bartimäus benannt.

Das Markus-Evangelium berichtet, Bartimäus der Blinde, ein Sohn des Timäus, habe am Weg gesessen und gebettelt, als Jesus mit seinen Jüngern von Jericho kommend an ihm vorbeiging. "Was willst du, dass ich dir tun soll?", fragte Jesus den Blinden, und Bartimäus antwortete: "Rabbuni, dass ich sehend werde!" Jesus sprach zu ihm: "Geh hin; dein Glaube hat dich gerettet!" Bartimäus erlangte sein Augenlicht "und folgte Jesus nach auf dem Weg", so das Markus-Evangelium.

Dieter Birmann kann viele Geschichten über das Gemeindezentrum erzählen. Der gelernte Bauingenieur, der übrigens als einer der besten Kenner der Sonnenuhren in München und der Region gilt und darüber in Büchern und Vorträgen Auskunft gibt, hat herausgefunden, dass der freistehende Turm von Bartimäus die älteste Glocke einer Münchner evangelischen Kirche trägt: Sie stammt nämlich aus dem Geläut der alten, 1833 eingeweihten und 1938 abgerissenen Matthäuskirche am Sendlinger-Tor-Platz und wurde 1830 von Nicolaus Renault aus Lothringen gegossen. 1964 kam sie als Schenkung ins Gemeindezentrum Bartimäus.

Aber wie kam es überhaupt zum Bau des Kirchenzentrums im Westen der Stadt? Was war zu tun, bis das Gemeindehaus am 3. Oktober 1965 eingeweiht werden konnte, bereits ein Jahr nach der Grundsteinlegung? Viel gab es zu tun, viele Hindernisse waren zu überwinden. Die evangelischen Christen im Westen der Stadt hatten das Bedürfnis, endlich ihr eigenes Gotteshaus zu besitzen, schon seit Langem verspürt.

Zuvor hatten sie ihre Gottesdienste in der Wohnung des damaligen Ziegeleibesitzers und später dann im Speisesaal des Kinderheims der Inneren Mission an der Ranertstraße abgehalten - in Ermangelung einer Versammlungsstätte. 1959 entstand aus einer Baracke kurzfristig eine Notkirche, errichtet "mit bewundernswerter Baubegeisterung in Eigenleistung", wie Birmann konstatiert. Wegen einer Straßenverbreiterung musste diese Notkirche allerdings zwei Jahre danach wieder abgerissen werden, man begann notgedrungen wieder von vorn.

"Von diesem damaligen Pioniergeist ist bis heute was geblieben", sagt der 67-jährige pensionierte Bauingenieur. "Wir sind eine kleine Gemeinde mit nur rund 600 Mitgliedern. Aber alle bringen sich ein, das Klima ist sehr familiär, wir haben zahlreiche Feste und Veranstaltungen im Jahreskalender." Er selbst leitet seit 35 Jahren den Lochhausener Singkreis und seit fünf Jahren einen Kinderchor für Sechs- bis Zehnjährige. Seine Frau engagiert sich im Frauenkreis, es gibt Seniorengymnastik in den Räumen, eine Tanzsportgruppe, Orgelkonzerte. Zusätzlich zu den Gottesdiensten, zur Waldweihnacht, zur Osternacht und der ökumenischen Pfingstvigil.

Das Gebäude des Gemeindezentrums beinhaltet heute einen Saal für knapp hundert Personen, einen Konfirmandenraum, einen neu ausgebauten Jugendkeller, eine renovierte Teeküche und die Pfarrwohnung. Pfarrerin ist seit Januar die 35 Jahre alte Sarah Fischer-Röhrl, die in Gröbenzell aufgewachsen ist und den ersten Teil ihres Studiums in München absolvierte. Die Mutter zweier Kinder war zuvor in Gilching und Weßling als Pfarrerin aktiv. Die Stelle wird alle paar Jahre neu besetzt, da Lochhausen/Langwied zum Sprengel der Himmelfahrtskirche in Pasing gehört.

Den Auftakt zur Jubiläumsfeier gestaltet am Freitag, 2. Oktober, Leonie Tremmel mit einer Bartimäus-Geburtstagsparty von 16 bis 19 Uhr für alle Kinder zwischen fünf und elf Jahren. Am Samstag, 3. Oktober, lädt Kurator Birmann dann ab 14.30 Uhr zur Vernissage mit 150 seiner insgesamt rund 4000 archivierten historischen Bilder. Die Fotos erzählen von Gemeindegliedern, Vikaren und Pfarrern. Erstmals gezeigt werden außerdem von den Pasinger Künstlern Hanns und Anne von Miller skizzierte Original-Entwürfe der späteren Altartücher. Im Anschluss an die Ausstellung ist ein Erzählcafé mit Zeitzeugen angesetzt.

Den Abschluss der Feierlichkeiten schließlich bildet ein Festgottesdienst am Sonntag, 4. Oktober, um 10.30 Uhr mit Dekan Christoph Jahnel. Untermalt wird die Messe mit Blasinstrumenten - wie schon vor 50 Jahren.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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