Lochhausen:Harte Fronten

Lesezeit: 2 min

In Lochhausen sollen von Januar 2016 an bis zu 300 Flüchtlinge ein vorübergehendes Zuhause finden. Bei einer Infoveranstaltung wird deutlich, dass die Ängste und Bedenken vieler Bürger nach wie vor groß sind

Von Ellen Draxel, Lochhausen

Ein warmherziges Willkommen sieht anders aus. In Lochhausen, wo von Januar 2016 an bis zu 300 Flüchtlinge ein vorübergehendes Zuhause finden sollen, sind die Ängste und Bedenken vieler Bürger den Asylsuchenden gegenüber groß. Das wurde bei der Infoveranstaltung am Dienstagabend deutlich, zu der die Stadt auf Bitte des örtlichen Bezirksausschusses eingeladen hatte.

Hitzig war die Stimmung - und das lag nicht an der sommerlich-schwülheißen Temperatur in der brechend vollen Turnhalle am Schubinweg. Vielfach ließen die Anwohner die Referenten nicht ausreden, Zwischenrufe wurden laut. Als Anni Kammerlander vom Verein Refugio exemplarisch die Geschichte eines zehnjährigen Jungen erzählt, der Misshandlungen durch den Islamischen Staat mitansehen musste, floh und dabei fast ertrunken wäre, rufen einige: "Es reicht jetzt!" Es handle sich hier lediglich um eine Veranstaltung zum Standort - nicht mehr.

Münchens Sozialreferentin Brigitte Meier sah sich im Laufe des Abends mehrmals genötigt, die Fakten klarzustellen. "Die Entscheidung für die Standorte trifft der Stadtrat. Es ist also keine Frage des Ob mehr, sondern nur des Wie." 60 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht, 450 000 kämen in diesem Jahr nach Deutschland. Verteilt werde nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel: Damit habe München die Pflicht, 12 300 Flüchtlinge zu beherbergen: "Wir müssen uns leider damit auseinandersetzen, dass Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden müssen." Würden diese Einrichtungen nicht gebaut, müssten die 400 bis 450 Menschen, die täglich die Stadt erreichen, langfristig in Turnhallen untergebracht werden: "Das wollen wir vermeiden."

Politiker und Verwaltung versuchten zwar, die Unterkünfte gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet zu verteilen, aber "unser Handlungsspielraum ist sehr, sehr eingeschränkt." Nutzbar seien lediglich städtische Flächen - und auch nur, wenn sie in absehbarer Zeit nicht für andere Zwecke wie Kindergärten, Schulen oder Wohnungen zur Verfügung stehen müssten.

300 Flüchtlinge - bei dieser Zahl bleibt es laut Brigitte Meier definitiv für Lochhausen - sollen an der Langwieder Hauptstraße in vier zweigeschossige Wohngebäude einziehen. Die Räume sind aufgeteilt in Doppelzimmer, es gibt sanitäre Einrichtungen, Gemeinschafts- und Beratungsräume und Gemeinschaftsküchen. "Die Menschen kochen selbst, wir wollen ja eine eigenverantwortliche Versorgung ermöglichen", erklärte Maria Els, Vizepräsidentin der Regierung von Oberbayern.

Ob Familien oder Alleinstehende kommen werden und welcher Nationalität sie angehören, ist noch offen. Klar ist hingegen der Betreuungsschlüssel: Zwei Verwalter und zwei Hausmeister kümmern sich um die Flüchtlinge, ergänzend dazu gibt es die Asylsozialarbeit. Bayernweit vorgegeben ist ein Sozialpädagoge für 150 Asylbewerber, in München betreut ein Pädagoge hundert Schützlinge. "Die Stadt beschäftigt einen Kümmerer, der bis 22 Uhr ansprechbar ist", so Maria Els. Nicht vorgesehen bei Gemeinschaftsunterkünften sei dagegen ein Wachdienst, "aber wir stellen jemanden, wenn erkennbar Bedarf da ist".

Die Polizei, verspricht Peter Löffelmann, der Leiter der zuständigen Polizeiinspektion Pasing, stehe in ständigem Kontakt mit den Betreuern vor Ort. "Ich halte nichts davon, Ängste nicht wahrzunehmen. Wir werden da sein, um die Einheimischen zu schützen - aber auch, um die Bewohner dort vor Unheil zu bewahren, das sage ich ganz offen", sagte Löffelmann: "Die Flüchtlinge sollen wissen, unsere Polizei ist für alle da." So kritisch manche Anwohner die Ankunft der Flüchtlinge sehen - es gibt in Lochhausen und Langwied auch viele, die helfen wollen. Den Protesten setzten sie demonstrativ lautes Klatschen entgegen, als es um Unterstützung beim Deutschlernen, um gemeinsame Aktivitäten mit den Asylsuchenden, um Toleranz ging. "Das Wichtigste", sagte Yvonne Möller von der Caritas, die das ehrenamtliche Engagement organisiert und unter Telefon 92 004 630 erreichbar ist, " sind Hände, Füße und ein lachendes Gesicht".

Sozialreferentin Brigitte Meier selbst kommt aus einem kleinen Ort im tiefsten Niederbayern. "Ulbering", erzählt sie, "hat 300 Einwohner und 50 Asylbewerber. Und es funktioniert. Ich bin überzeugt, hier wird es das auch."

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: