Linksaußen:So eine Pfeife!

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Klementine und der Persil-Mann sind längst verblichen. Gut, dass es ACME gibt: Die Briten säubern die Schiedsrichterei, damit es weniger schmutzige Wäsche gibt.

Glosse von Johannes Schnitzler

Wenn unsere Erinnerung nicht trügt - zugegeben, die Bilder verwaschen mit zunehmendem Alter - dann ging der Plot so: Hausfrau (damals wuschen nur Frauen) verzweifelt vor ihrer Buntwäsche, weil die einfach nicht sauber werden will, bis - Simsalabim! - Klementine auftritt, eine Frau in weißer Latzhose und Schildkappe.

Diese Klementine (nicht: Mandarine!) scheint zum Haushalt zu gehören, denn weder klopft sie an noch läutet sie. Sie ist einfach plötzlich da und empfiehlt ein Waschmittel, das nach dem Engel Ariel benannt ist und "nicht nur sauber, sondern rein" wäscht. Dabei tätschelt sie die Frau des Hauses und schaut sie an, als wollte sie sagen: Warum nicht gleich so, Dummchen. Klementine, die in Wirklichkeit Johanna König hieß, Schauspielerin war und - ja, tatsächlich - die Tochter des Leibkochs des letzten sächsischen Königs, war eine Mischung aus Super Mario und einem Kompanie-Feldwebel.

Nur trug sie anders als der Spielhallen-Held Weiß statt Blau und keinen Schnäuzer. (Nebenbei: Klempner*innen tragen im richtigen Leben nie - NIE! - weiße Latzhosen, denn ihr Geschäft ist eben nicht porentief rein und fleckenlos sauber, wie es die Waschmittelwerbung suggeriert, sondern wird umgangssprachlich nicht umsonst unter "Gas, Wasser, Sch..." rubriziert). Damals, in den Siebzigern, wurde Waschmittel noch in riesigen Trommeln gehortet, die heute, randvoll mit Legosteinen oder brodelnden alten Kindersocken, in Kellern und auf Dachböden lagern wie Fässer mit radioaktivem Müll.

Irgendwann ging Klementine in Rente und gründete vermutlich eine Zweckgemeinschaft mit dem Persil-Mann Jan-Gert Hagemeyer, Sauberfrau und Saubermann, beide längst verblichen. Oder sie hatte eine (huch!) schmutzige Affäre mit Super Mario. Ihr gütig-strenges Pochen auf Waschanleitungen und Hygienevorschriften ist heute aber aktueller denn je.

Gut, dass es ACME gibt. Die britische Firma - nicht zu verwechseln mit jener fiktiven Firma aus den Roadrunner-Cartoons, die alles herstellt ( A Company that Manufactures Everything) - ist Weltmarktführer auf dem Gebiet der Pfeifenproduktion: Seit 1870 stellt ACME Whistles in Birmingham Trillerpfeifen her, Polizeipfeifen, Hundepfeifen. Alle Arten von Pfeifen ohne Tabak. Doch jetzt, im Corona-Jahr 2020, ist den Engländern ein echter Coup gelungen. Wir alle kennen das: Wenn der Schiedsrichter kräftig in seine Pfeife bläst, spritzt aus dem Tonloch oft meterweit die Spucke. Höchste Ansteckungsgefahr!

Nun aber präsentierte ACME vor wenigen Tagen seine neue Kollektion an Plastikpfeifen. Diese sind versehen mit einem antimikrobiellen Zusatz, der die Verbreitung von Bakterien und Viren zu 99,9 Prozent verhindern soll. Somit seien seine Pfeifen "gesünder und sicherer", verspricht ACME. Ob die neuen Additive dazu führen, dass die an diesem Bundesliga-Wochenende wieder einmal arg umstrittenen Entscheidungen der Spielbereiniger dann auch zu 99,9 Prozent sauber sind? Klementine wüsste es wohl. Aber es ist doch tröstlich, liebe Amateure, dass der erste Pfiff nach der Corona-Pause ohrentief rein sein wird.

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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