Linksaußen:Die Aura macht Aua

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Seit Samstag ist der 16-jährige Dortmunder Youssoufa Moukoko der jüngste Profi der Fußball-Bundesliga-Geschichte. Und bekommt gleich mal Tipps von einer Aurachirurgin. Aura...was, bitte?!? Könnte Kaiser Franz damit etwas zu tun haben?

Glosse von Johannes Schnitzler

Youssoufa Moukoko, geboren in Kamerun, ist nach allem, was man in den vergangenen Tagen lesen und sehen konnte, ein außergewöhnlich begabter deutscher Fußballspieler, der mit elf Jahren zu Borussia Dortmund kam und seitdem alle Nachwuchs-Rekorde zertrümmert. In der vorzeitig beendeten Saison 2019/20 der A-Junioren-Bundesliga erzielte er in 20 Spielen 34 Treffer, sechs davon gleich bei seiner Premiere - als 14-Jähriger! Gegen Wuppertal!

Seit Samstag darf sich Moukoko, der am Freitag seinen 16. Geburtstag feierte, nun auch Bundesliga-Profi nennen; er wurde gegen die Hertha für den rüstigen Viererpacker Haaland eingewechselt, der mit seinen 20 Jahren dringend eine Pause brauchte. Extra für ihn stimmte die DFL der "Lex Moukoko" zu, wonach Jugendliche nun bereits mit 16 Jahren in der ersten und zweiten Bundesliga eingesetzt werden dürfen. Millionär ist er übrigens auch schon, dank eines Werbevertrags mit einem Sportartikelhersteller.

Ansonsten ist Moukoko nach allem, was man hört, ein relativ normaler junger Mann, der schon in seiner Jugend, also, äh, in seiner Kindheit davon träumte, für die DFB-Elf zu spielen - was, wie wir seit Dienstag wissen, ein Albtraum sein kann, als sich eine tiefdunkle spanische Wolke über Die Mannschaft  schob.

Pünktlich zu Moukokos Jubeltag am Freitag meldete sich gottlob eine PR-Agentur aus Düsseldorf mit einem Interviewangebot zum Thema: "Was ist das Besondere, wenn man aufstrebende große Talente coacht, damit sie im Fußballzirkus nicht unter die Räder kommen? Was braucht es, damit diese Talente den enormen Druck in mentale Stärke umwandeln?" Als Gesprächspartner stand nicht etwa ein kompetenter Bundestrainer zur Verfügung (hm...), sondern eine "Expertin für Mentaltraining und Aurachirurgie". - Aura...was?!?

Stehen Aurachirurgen in den Gelben Seiten? Gibt es dafür Programme an der IHK? Meisterkurse beim renommierten Schienbeinstuckateur K. Augenthaler?

Zunächst einmal: Der Name Aura steht für die Göttin der Morgenbrise und bedeutet Lufthauch. Damit ist nicht der tödliche Odem vor dem ersten Zähneputzen gemeint, sondern der Duft eines blütenfrischen, von Achselschweiß und Dieselruß unvernebelten Frühlingsmorgens. Die Fachleute der Wikipedia-Uni erklären den Begriff so: "Als Energiekörper oder Aura eines Menschen wird in verschiedenen esoterischen Lehren eine Ausstrahlung bezeichnet, die für psychisch oder anderweitig entsprechend empfindsame Menschen als Farbspektrum, das den Körper wolken- oder lichtkranzartig umgibt, wahrnehmbar sein soll." (siehe auch Bayerisches Heiligenlexion: "Ich, Franz, Kaiser und Fußballgott - Mein Leben als Lichtgestalt 1966 bis 2006"). Neurologen dagegen sprechen von unterschiedlichsten Sinneswahrnehmungen bis zu einem diffusen Unbehagen, das bei manchen Menschen einen epileptischen Anfall ankündigt wie der Blitz das Gewitter. Das klingt schon weniger charmant.

Wie also darf man sich das bitte vorstellen: Aurachirurgie? Schraubt da jemand mit grobem Besteck an unserem Energiekörper herum? Wird mit dem Rippenspreizer unsere Ausstrahlung justiert? Mit der Knochensäge unser Ego gekürzt? Und wenn der Aurachirurgin ein Kunstfehler unterläuft: Ist dann der Leuchtelack ab wie bei Beckenbauer? Und was heißt das für Jogi Löw, über dessen Haupt diese dunkle Wolke hängt? Alle ab zum Mannschaftsarzt, Auratherapie?

Vielleicht sollte er seinen Kickern zu Weihnachten eine DVD schenken von den schönsten Wundern und Sagen des heiligen Franz von Giesing, der da neulich sprach: "Solche Ausfälle (wie das 0:6, d. Red.) gibt es doch zum Glück nur ganz selten." Erhellt garantiert das Gemüt.

Jedenfalls: Youssoufa Moukoko hat in Berlin sechs Minuten gespielt und kein Tor geschossen. Was das für die weitere Laufbahn des Wunderknaben bedeutet, muss der Karrierekardiologe beurteilen.

© SZ vom 23.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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