Lesung:Bitter und böse

Friedrich Ani stellt Balladen im Lyrik Kabinett vor

Von Antje Weber, München

"Einer hat Walter Lübcke erschossen", beginnt eines der Gedichte: "Aber nicht allein." Denn da waren im Schatten unter anderen auch "Gauland Weidel Hartwig" beteiligt, da jubelt das Volk wie früher seinem Führer zu, da jagt der Staatsschutz Syrer, "denn das ist mörderaffengeil".

Es wäre untertrieben, die neuen Gedichte des Bandes "Die Raben von Ninive" (Suhrkamp) von Friedrich Ani bitter zu nennen. Sie sind bitter, böse, verzweifelt, pathetisch, irritierend, und manchmal alles gleichzeitig. Sie handeln von rechten Mördern, aber auch von Geflüchteten, von Vergewaltigten, überhaupt von unterschiedlichsten Menschen - und dazwischen auch immer wieder von der Selbstfindung eines lyrischen Ichs. Und sie irritieren auch deshalb, weil Ani für diese fast durchweg politisch grundierten Gedichte diesmal die alte Form der Ballade gewählt hat, mitunter gereimt, um sie mit sehr heutigen Inhalten zu füllen.

Um die Absicht und Wirkung dieser meist eingängigen Gedichte ganz zu erfassen, sollte man sie sich am besten vorlesen lassen. Die Lesung an diesem Mittwoch im Lyrik Kabinett mit seinen derzeit 20 Plätzen ist zwar bereits ausgebucht, von Freitag an jedoch nachzuhören auf www.dichterlesen.net. Im Übrigen: Auch wenn diese Gedichte rabenschwarz sind, kann man manchmal doch auflachen. Dann, wenn das Dichter-Ich, sonntags, in seiner Wohnung eine Kerze anzündet, bevor es den nervenden Nachbarn meuchelt. Der Grund: "Dämmerung, in der Wohnung / drüber Hämmerung".

Friedrich Ani : Die Raben von Ninive , Mittwoch, 28. Oktober, 20 Uhr, Lyrik Kabinett (ausgebucht, nachzuhören auf www.dichterlesen.net)

© SZ vom 28.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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