Lernen in der Autowerkstatt:Schulter an Schulter

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Anderwerk bietet Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge

Von Sven Loerzer

In einer Autowerkstatt hat Abdiwahid, 25, schon früher gearbeitet, bevor er aus seinem afrikanischen Heimatland geflüchtet ist. Reifen- und Ölwechsel sind ihm vertraut, auch wenn Werkstätten in Afrika oft anders aussehen als sein neuer Arbeitsplatz im Münchner Norden. Die Autowerkstatt des zur Arbeiterwohlfahrt gehörenden Trägers Anderwerk in Moosach ist hochmodern. Das Unternehmen bietet seit Herbst auch Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge. Manche haben schon in ihren früheren Heimatländern in einer Autowerkstatt gearbeitet, "aber mit der Technik hier sind sie zunächst überfordert", sagt Kfz-Meister Klaus Widmann. Letztlich aber ist das auch nicht anders, wenn jemand eine Ausbildung beginnt.

Die ersten Erfahrungen mit Flüchtlingen sieht Widmann positiv: "Sehr zuvorkommend, ruhig und zurückhaltend", seien die neuen ungelernten Mitarbeiter, "sie wollen nichts falsch machen". Das größte Problem sei die Sprache: Zwar können einige Englisch, aber auch da wird es mit Fachbegriffen schwierig. Dafür "funktioniert die Verständigung mit Händen und Füßen relativ gut", sagt Werkstatt-Leiter Uwe Schürch. Hilfreich sind vor allem Migranten, die schon länger dort arbeiten und das Dolmetschen übernehmen können.

Das Förderprogramm "Schulter an Schulter", an dem das Referat für Arbeit und Wirtschaft, die Arbeitsagentur, das Sozialreferat und soziale Betriebe wie Anderwerk beteiligt sind, sei aus der Überlegung heraus entstanden, Bewohnern der Gemeinschaftsunterkünfte eine Arbeitsgelegenheit in Betrieben des Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramms zu verschaffen, sagt Christoph Frey, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt. Gedacht ist es für Asylbewerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit. Auf diese Weise können Stellen, die bislang unbesetzt geblieben sind, sinnvoll genutzt werden.

"Die Flüchtlinge sind hochmotiviert, weil sie rauskommen aus der Gemeinschaftsunterkunft", sagt Frey. Pro Arbeitsstunde gibt es eine Mehraufwandsentschädigung von 80 Cent, die Arbeit ist zunächst auf ein halbes Jahr befristet, kann aber auf ein Jahr verlängert werden. "Man lernt Fähigkeiten, die man später brauchen kann", wenn es darum geht, Arbeit zu finden, erklärt Anderwerk-Geschäftsführer Jürgen Meyer-Lodding. Anderwerk bietet dazu mehrere Stellen in unterschiedlichen handwerklichen Einsatzbereichen.

Als sehr interessiert und wissbegierig schildert Klaus Widmann die neuen Kollegen. Wenn Hände und Füße nicht mehr reichen für Erklärungen, dann kommt der "Telefon-Joker" zum Einsatz - die Smartphones helfen weiter, zumal es Wlan in der Werkstatt gibt. Allerdings kann das kein Ersatz für einen Sprachkurs sein. Denn selbst wenn jemand im Alltag gut Deutsch spricht, reicht das oft nicht für den Erwerb des Berufsabschlusses: Die praktische Prüfung ist dabei zwar meist kein Problem, oft aber die Theorie, weil es Defizite beim Lesen und Verstehen der Sprache gibt. Um so wichtiger sei deshalb eine sprachliche Begleitung, betont Frey. So arbeiten die Flüchtlinge 20 Stunden pro Woche in der Werkstatt und erhalten zusätzlich dann noch acht Stunden fachspezifischen Deutsch-Unterricht. Die Stadt engagiere sich da sehr stark mit freiwilligen Leistungen, weil es nicht genügend staatliche Kursangebote gibt, sagt Frey. Künftig will die Arbeiterwohlfahrt auch Arbeitsgelegenheiten für Frauen, die geflüchtet sind und über keine Ausbildung verfügen, anbieten, etwa im hauswirtschaftlichen Bereich von Kindertagesstätten oder Pflegeheimen.

Abdiwahid hat in seiner früheren Heimat als Busfahrer und Automechaniker gearbeitet und sich vor allem um Reifen- und Ölwechsel gekümmert. Dass seine Fertigkeiten nicht ausreichen, um den Anforderungen einer hiesigen Autowerkstatt gerecht zu werden, ist ihm bei Anderwerk sehr schnell klar geworden: "Hier gibt es mehr Elektronik im Auto. Ich will das alles kennen lernen und eine Ausbildung machen."

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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