Leichtathletik:Quereinsteiger in der Königsdisziplin

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Fast wie Sergej Bubka: Für Quereinsteiger ist der Stabhochsprung eine besondere Herausforderung. (Foto: Florian Braun/oh)

Vorbereitung auf die Königsdisziplin der Leichtathletik: Wie eine Gruppe Münchner Hobbysportler für einen Jedermann-Zehnkampf trainiert.

Von Nico Horn, München

Albert Engl und seine vier Mitstreiter setzen mit je einem Speer in der Hand zum Wurf an. Von der anderen Hälfte des Münchner Dantestadions bewegen sich etwa 50 Läufer auf die kleine Trainingsgruppe zu. In der Theorie könnte das etwa in der Stadionmitte ein höchst gefährliches Zusammentreffen ergeben. Doch innerhalb der höchstens 40 Meter entfernt joggenden Masse wirkt keiner sonderlich angespannt. Denn Engl und seine Trainingspartner sind weder antike Kämpfer noch Indianer auf der Jagd, sie sind nicht einmal richtige Speerwerfer. Einige von ihnen, so wie Engl, hatten bis vor kurzem mit Leichtathletik rein gar nichts am Hut. An 80-Meter-Würfe ist also nicht zu denken.

Trotzdem sind diese Sportler außergewöhnlich: Sie trainieren hier gemeinsam für den Jedermann-Zehnkampf, der am letzten Juli-Wochenende in Garching stattfindet - also die Königsdisziplin der Leichtathletik, mit allen klassischen Disziplinen wie Springen, Werfen und Laufen, für jeden, der sich dazu berufen fühlt.

Bis ins Alter von 20 Jahren kannte Albert Engl eigentlich nur Fußball. "In meiner Heimat war Fußball alles", erzählt der Warngauer aus dem Kreis Miesbach. Doch schon bei den Bundesjugendspielen in der Schule sei er immer gut gewesen. Und nun genießt er die Abwechslung, die ein Zehnkampf bietet: "Diese Vielfalt ist ein toller Ausgleich." Schon im vergangenen Jahr hat er an diesem Zehnkampf für die Nicht-Zehnkämpfer teilgenommen. Dieses Mal möchte er seine Bestmarke um mindestens 50 Punkte steigern, deshalb trainiert er wieder mit mehr als einem Dutzend anderer Freizeitsportler in der Trainingsgruppe von Philipp Dörr.

Früher war Dörr mal ein ganz passabler Mehrkämpfer, doch mit 20 beendete er seine Karriere. "Viel zu früh", glaubt er mittlerweile. "Dann habe ich irgendwann wieder einen Rappel gekriegt." Also gründete Dörr eine Gruppe, in der sich jeder, egal wie alt, wie trainiert oder untrainiert, über die zehn Disziplinen messen kann. Den Teilnehmern vermittelt er sukzessive die Grundlagen für alle Teildisziplinen, viele müssen diese ja völlig neu erlernen. Er könne sich noch bestens an die Techniken erinnern, versichert Dörr: "Man hat das ja Tausende Male gemacht."

Als ein Gewitter über dem Dantestadion heraufzieht, es leicht zu regnen beginnt, werden die Badegäste im anliegenden Schwimmbad per Lautsprecher aufgefordert, die Becken zu verlassen - für Dörrs Sportler kein Grund, das Training zu unterbrechen. Die zwei Trainingstage pro Woche wollen gut genutzt sein.

"Am meisten Respekt habe ich vor dem Stabhochsprung und dem Speerwerfen", sagt Nils Engels. Dieser Trainingstag ist deshalb nicht ganz unwichtig für den 29-Jährigen - schließlich stehen diese beiden Disziplinen heute auf dem Programm. Engels' Leichtathletik-Erfahrung beschränkte sich bisher auf Langstreckenläufe, über seine Freundin kam er zu Dörrs Zehnkampf-Vorbereitung. "Ich wollte mal etwas anderes ausprobieren als das stupide Laufen." Der Mehrkampf-Neuling schlägt sich gar nicht schlecht. Im Speerwerfen müsse er aber noch schneller und dynamischer werden, erfährt er. Zum Glück bleibt dafür noch etwas Zeit.

Einige der Teilnehmer sind Quereinsteiger, andere haben zumindest eine Vergangenheit in der Leichtathletik. Katja Puschkarsky zum Beispiel hat früher aktiv Siebenkampf, also den Mehrkampf der Frauen, betrieben. "Alle Disziplinen, die für mich neu sind, finde ich cool", sagt sie. Sie wirkt ehrgeizig, Ziele habe sie schon, versichert sie. Bei Christian Spiegel, 40, einem Mehrkampf-Neuling, hängen die Ansprüche ein bisschen tiefer: "Ich will alle Disziplinen schaffen und mich nicht verletzen."

Während er dies sagt, beginnt nebenan eine Trainingsgruppe mit Hürdensprint-Übungen. Mit den 110 Meter Hürden beginnt traditionell der zweite Tag eines Mehrkampfes. "So wird es bei uns nie aussehen", stellen Engels, Spiegel und die anderen mit Blick auf die Leichtathleten fest. Es klingt dabei kein bisschen Neid durch. Für die Teilnehmer des Jedermann-Zehnkampfes geht es ja auch nicht um Rekorde, sondern nur um das Erreichen der persönlichen Ziele. Und natürlich um Spaß und Zusammenhalt.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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