Leerstand in München:Kaschierte Untätigkeit

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Auslöser der Leerstands-Debatte: Die Aktivisten von "Goldgrund" besetzten ein Haus in der Pilotystraße. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Leere Wohnungen in München trieben Christian Ude im Wahlkampf den Angstschweiß auf die Stirn. Doch das brachte ihn nicht dazu, den Missstand anzugehen - im Gegenteil.

Ein Kommentar von Peter Fahrenholz

Vor allem im Wahlkampf wollen Politiker möglichst vorteilhaft rüberkommen. Dafür gibt es PR-Berater und Werbeagenturen. Deren Erfolg ist meist nur von kurzer Dauer. So wie bei Edmund Stoiber, dessen Beratern es im Kanzlerwahlkampf 2002 allenfalls ein paar Wochen lang gelungen war, die berüchtigten "Ähhs" des Kandidaten zu unterdrücken. Nichts mehr mit harmloser PR-Arbeit hat es dagegen zu tun, wenn echte politische Missstände mit fragwürdigen Methoden zugeschminkt werden sollen.

Der unerklärlich lange Leerstand städtischer Wohnungen ist ohne Zweifel ein solcher Missstand. Für den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude wurde er leider zur Unzeit öffentlich: Im Frühjahr besetzte eine Gruppe von Aktivisten mit prominenten Künstlern an der Spitze ein leer stehendes Haus in der Müllerstraße. Für den Wahlkämpfer Ude, der Ministerpräsident werden wollte, war das eine blöde Sache. Wo er doch mit dem Thema "bezahlbarer Wohnraum" punkten wollte.

Frische Klingelschilder statt frische Wohnungen

Ein jetzt aufgetauchtes Protokoll zeigt den Münchner OB von einer Seite, die man bis dato von ihm nicht kannte: angstgetrieben und bestrebt, ein Problem so gut es geht zu übertünchen, statt es zu lösen. Der naheliegende Vorschlag, alle städtischen Leerstände offenzulegen (und dann möglichst rasch für Abhilfe zu sorgen), wurde allen Ernstes mit dem Argument vom Tisch gewischt, das könne die autonome Szene, etwa aus der Hamburger Hafenstraße, zu Hausbesetzungen in München animieren. Die Hafenstraße im Jahr 2013, du lieber Himmel! Wahrscheinlich sitzen deren ergraute Aktivisten längst als Rentner im Stadtpark und füttern die Enten.

Auch dem schlimmen Eindruck halb verfallener Häuser wollte die Stadt energisch entgegentreten: Durch den Austausch "heruntergekommener Klingelschilder" in solchen Häusern, die noch nicht vollständig geräumt sind. Damit nicht der Eindruck städtischer Untätigkeit entstehen kann. Frische Klingelschilder statt frische Wohnungen - das sollte sich die CSU mal trauen. Jahrelang leer stehende städtische Häuser sind angesichts eines eklatanten Wohnungsmangels eine Blamage für die Stadtpolitik. Das von der Stadtspitze inszenierte Ablenkungsmanöver macht diese Blamage noch peinlicher.

© SZ vom 26.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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