Wildmoser wieder wohlauf:Gut gebrüllt, Ex-Löwe

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Kein Grund zur Sorge: Karl-Heinz Wildmoser, früher Präsident des TSV 1860 München, hat auch im Krankenstand nichts von seinem Temperament eingebüßt.

Thomas Hahn

Wer schimpft, lebt, insofern ist es eine ziemlich gute Nachricht gewesen, dass Karl-Heinz Wildmoser senior in einem Interview mit der Abendzeitung jetzt ein paar kernige Worte gegen den FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß gerichtet hat.

Nachtragend, wehleidig, verbittert: Wer schimpfen kann wie Wildmoser, dem kann es so schlecht nicht gehen. (Foto: ag.dpa)

Das Letzte, was davor vom Großgastronomen Wildmoser und früheren Präsidenten des TSV 1860 München zu hören war, war nämlich die Nachricht, er sei mit Blaulicht ins Klinikum rechts der Isar gebracht worden, weil er beim Zahnarzt eine Spritze nicht vertragen habe. Karl-Heinz Wildmoser ist zeit seiner Regentschaft beim früheren Fußball-Bundesligisten bekannt für Klagereden gewesen, die leicht ins Selbstmitleidige hinüberspielten ("nullkommanull Lebensqualität").

Aber bei Blaulicht hört der Spaß dann doch auf, ein bisschen ehrliche Sorge schien angebracht zu sein, zumal der alte Wildmoser nicht mehr der Jüngste ist. 71 Jahre alt, auch wenn man ihm das in seiner Rolle als Gastwirt und Meister des urbayerischen Charmes ("Griaßt's eich") bis zuletzt nicht ansah.

Alles halb so wild also, der Ex-Löwe brüllt, wie es ihm gefällt, und beweist damit, dass er auch im Krankenbett nichts von seinem Temperament eingebüßt hat. Dazu gehört, dass er sich als Opfer seiner Amtszeit bei den Löwen sieht. Als Löwen-Präsident hat der alte Wildmoser einst seinen eigenen kleinen Hofstaat befehligt, sich in ganz Deutschland einen Namen als Münchner Original gemacht, sein Bedürfnis nach geschäftsfördernder Prominenz befriedigt und sicher noch den ein oder anderen Vorteil mehr aus seiner Rolle als alleinherrschender 1860-Kini gezogen.

Im Rückblick aber pflegt er stets die Last des Ehrenamtes hervorzuheben und die bleibenden Enttäuschungen. Die kurze Untersuchungshaft im Frühjahr 2004 im Zuge der Bestechungsaffäre um seinen Sohn, den früheren Stadion-GmbH-Geschäftsführer Karl- Heinz Wildmoser junior, sieht er dabei offensichtlich nicht einmal als Tiefpunkt - er nennt sie "richtig amüsant".

Aber sonst? Wildmoser senior ist nachtragend, was dazu führt, dass er einige Personen der Münchner Fußball-Geschichte bei Bedarf mit beißender Kritik überzieht, namentlich den früheren Löwen-Trainer Werner Lorant ("Der hat doch nur immer g'schimpft und blöd daherg'red't"), seinen Sohn, mit dem er nicht mehr redet, und eben diverse FC-Bayern-Funktionäre außer Franz Beckenbauer ("der einzige Anständige in dem Verein").

Im Grunde schimpft Wildmoser senior vor allem deswegen so laut, weil er den Eindruck hat, dass seine Verdienste um 1860, die Arena und die weitere Menschheitsgeschichte nicht genügend gewürdigt werden.

In der Tat hat 1860 ihm vieles zu verdanken, die schicke Geschäftsstelle, zehn Jahre Bundesliga - aber eben auch eine eher patriarchalische Vereinspolitik an den Idealen des früheren Arbeitervereins vorbei. Und auch seine Rolle als Stütze des Stadionprojekts findet er unterschätzt, was ein wichtiger Grund für seinen Grant auf Hoeneß und den FC Bayern sein dürfte.

Jedenfalls straft er selbst die Denkmäler seines Schaffens als 1860-Chef mit Missachtung. Er sagt, er fahre nicht mehr an der schicken Geschäftsstelle vorbei: "Lieber mach' ich einen Umweg." Er sagt, er fahre auch nicht mehr an der Fröttmaninger Arena vorbei: "I will ja net nach Nürnberg." Man muss sich ziemlich eingesperrt fühlen, wenn man so viel Bitterkeit in sich trägt.

© SZ vom 20.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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