Verkehrswende:Würmtalgemeinden satteln auf

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Die Bewertungskommission hat sich Gräfelfing mit dem Rad erfahren. Das Urteil fiel positiv aus. (Foto: Birgit Doll/oh)

Gräfelfing steht kurz davor, als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert zu werden, Neuried gründet ADFC-Ortsgruppe

Von Annette Jäger, Gräfelfing/Neuried

Wenn Fahrradfahren bequem und sicher ist, dann schwingen sich die Bürger auch auf den Sattel und lassen das Auto stehen. So lautet die Erfolgsformel von Mobilitätsexperten, um den Anteil des Radverkehrs auf den Straßen zu erhöhen. Die Würmtalgemeinden Gräfelfing und Neuried sind hier vergangene Woche kleine Schritte weitergekommen: Die Gräfelfinger haben gute Aussichten, als fahrradfreundliche Kommune zertifiziert zu werden, die Neurieder haben eine Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) gegründet, um politisch einflussreicher zu werden, außerdem ermöglicht es die Kommune Mitarbeitern, ein Fahrrad zu leasen.

Lob gab es vor allem für eine Zahl am Mittwoch in Gräfelfing: 36 Euro pro Einwohner hat die Kommune in den vergangenen Jahren in den Radverkehr investiert. Das ist deutlich mehr, als die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. für eine Zertifizierung verlangt. Eine Bewertungskommission unter der Leitung von Oberbaurat Martin Singer war nach Gräfelfing gekommen, um in Augenschein zu nehmen, was die Gemeinde in sechs Jahren für die Förderung des Radverkehrs getan hat. Zu dem Termin war auch Kerstin Schreyer, Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr (CSU), und der Landtagsabgeordnete der Grünen Markus Büchler, Sprecher für Mobilität, erschienen.

An die 20 Maßnahmen haben die Gräfelfinger in den vergangenen fünf Jahren umgesetzt, um Fahrradfahren attraktiver zu machen, legte Roland Strecker, Radverkehrsbeauftragter der Gemeinde, dar. Dazu gehört der Umbau der beiden Kreisverkehre in Lochham, bei denen die Radwegeführung verbessert wurde, die Sanierung vorhandener Radwege, etwa entlang der Lochhamer Straße, sowie ein "Radl-Highway" entlang der Autobahn A 96 nach München.

Es gibt auch Zukunftsaufgaben. Ein Knackpunkt bleiben dabei die großen Kreuzungsbereiche. Für den komplizierten Knotenpunkt Pasinger Straße/Lochhamer Straße/Kleinhaderner Weg kurz vor der Autobahnbrücke A 96 liegt nach jahrelangen Untersuchungen erst jetzt ein Umbaukonzept vor. Auch die Kreuzung Bahnhofstraße/Pasinger Straße/Würmtalstraße bleibt "ein Manko", sagte Gemeinderat Martin Feldner (Grüne), Leiter des Arbeitskreises Radverkehr. Eine sichere Querung sei für Radler jedenfalls nicht möglich.

Die Gräfelfinger wurden von der Bewertungskommission mit Hausaufgaben entlassen, insbesondere müssen noch Unterlagen nachgereicht werden. Dann gibt es gute Chancen, Ende Januar das Siegel fahrradfreundliche Kommune zu erhalten. Dann müssen die Gräfelfinger nur noch radeln - mit einem hohen Autoanteil von 1,8 Fahrzeugen pro Haushalt hat die Gemeinde immer noch den Status einer starken Autofahrer-Kommune.

Schlagkräftiger werden, eine bessere Kooperation mit den Kommunen ermöglichen und einen engen Austausch mit Gemeinderäten pflegen - das sind Gründe, warum der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) derzeit kleinteilige Ortsgruppen im Würmtal gründet. In Neuried ist das am Donnerstag geschehen, in Gräfelfing gibt es eine solche Gruppe bereits seit Ende September, in Planegg soll sie im November gegründet werden. "Die Beauftragten vor Ort wissen einfach, wo der Schuh drückt", sagte Martina Tollkühn, Sprecherin des ADFC München.

In Neuried ist etwa die mangelhafte Verbindung nach Großhadern ein Brennpunkt. Der nichtasphaltierte Weg neben der Straße sei für Radler im Winter kaum befahrbar, sagte Frauke Buchholz aus Neuried, Mitglied im ADFC.

Die Gemeinde Neuried schlägt aber auch noch einen anderen Weg ein, um Menschen aufs Rad zu locken: Als erste Würmtalgemeinde ermöglicht es die Kommune ihren Mitarbeitern, Fahrradleasing über eine Entgeltumwandlung zu nutzen. Dafür sprach sich der Gemeinderat aus. Über einen externen Anbieter können Fahrräder, darunter auch E-Bikes und Lastenräder für bis zu 7000 Euro geleast werden, ein Teil des Entgelts wird vor Steuerabzug dafür verwendet. "Uns liegen bereits rund 20 Anträge vor", sagte Bürgermeister Harald Zipfel (SPD).

Der Rathauschef propagiert das Radfahren auf seine Weise: Zu Terminen bis zu einer Entfernung von zwölf Kilometern radelt er, auch bis ins Landratsamt nach München. "Mit dem Rad brauche ich nur zehn Minuten länger, wenn es Stau auf dem Ring gibt, bin ich sogar schneller", berichtet er.

© SZ vom 23.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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